Taschentücher für Uns Uwe

■ Deutsch-deutsches Handball-Duell in der Bremer Stadthalle: Beim Baltic- Cup werden kernige Jungs geliftet und manchmal mit Windpocken wieder abgestellt

„Uli, stell den Mann ab“, rief am Mittwoch abend in der Hamburger Sporthalle Bundestrainer Ivanescu. Und Uli war folgsam. Heute abend wird Uli Roth es wohl trotzdem wieder tun, denn irgendwie muß sich ein Abwehr-Experte im Hallenhandball für entgangene Torwürfe schadlos

halten. Für das Liften eines kleineren, gut abgehangenen Angriffsspielers (in Hamburg war es der Ungar Marosi) greift man ihm mit einem Arm unter die Achsel und hebt an. Heute abend in der Bremer Stadthalle stehen für Roths überschüssige Kräfte die Spieler der DDR-Auswahl zur

Verfügung. Der Sieger hat beste Aussichten, auch das Endspiel des „Baltic Cups“ am Sonntag in Dortmund zu erreichen.

In der Handball-Provinz Bremen ist die Nationalmannschaft des Deutschen Handball-Bundes auch ohne das besondere Etwas eines guten, alten deutsch-deutschen Bruderkampfes schon eine Attraktion. Und da Sportsleute in solchen Fällen notfalls sehr anhänglich sind, wird sich die ganze Liebe des Stadthallen-Publikums in Ermangelung eigener Stars über Uwe Schwenker ergießen. Der spielt zwar inzwischen für den TV Hassee-Winterbek Kiel in der Handball-Bundesliga und ist mit 29 auch der älteste im bundesdeutschen Elite-Kreis, aber: Uns Uwe kommt aus Bremen, spielt Linksaußen, kann die zweitschönsten Hüftwackler in der Bundesliga (die schönsten kann der Essener Peter Quarti, der auch mitspielt, aber auf Rechtsaußen). Vor 9 Jahren wurde Schwenker „beim TV Grambke ausgegram“ und ging in die Fremde, um sein Glück zu machen. Jetzt spielt er zum ersten Mal wieder in Bremen - das Volk wird mit Taschentü

chern winken.

Uns Uwe hatte sich eigentlich schon vor 3 Jahren aus dem National-Team verabschiedet. Nach dem bei der 85er B-WM mißglückten Versuch, wieder in die erste Liga aufzusteigen, stieg Uwe aus. Jetzt ist er wieder da. Mit den Worten: „Ich bin eben ein Handball-Verrückter“. Da kommt erschwerend hinzu: Vater Hinrich („Hinnie“) war in den 50ern ein Handball-Idol, 212 Tore in 76 Länderspielen für den ATSV Habenhausen und Werder.

Deutschlands Handball-Nationalmannschaft übt in Bremen eigentlich den sogenannten Ernstfall: Im Februar ist wieder B-WM, diesmal in Frankreich. Uli Roth, Uns Uwe, Neitzel, Schwalb, Fitzek und wie sie heißen, wollen es diesmal schaffen. Anwurf ist heute abend, 20 Uhr. Vorher spielen um 18.30 Uhr Finnland und Ungarn. Im Preis enthalten. Nicht im Preis enthalten ist Deutschlands zur Zeit bester Handballer Jochen Fraatz. Er hat Windpocken. Jemand, der ihn angehoben hat, soll ihn angesteckt haben.

Freddie Röckenhaus