BIER, LOS ODER GIESSKANNE

■ Der „Beirat für Freie Gruppen“ legt die Karten auf den Tisch

Allerdings ist es kein besonders gutes Blatt, mit dem der Poker um „Geld oder Leben“ für die einzelnen Theatergruppen gespielt wird.

Erstmals hatte sich der Beirat für Freie Theatergruppen, eine siebenköpfige, aus lokalen Theaterkritikern bestehende Jury, die den Kultursenator alljährlich bei der Verteilung des 1,9-Millionen-Topfes berät, angekündigt, sich öffentlich den empörten Fragen der zahlreich erschienenen Freien Gruppen zu stellen. Da von den 153 eingegangenen Projektanträgen in einer Höhe von 11,3 Millionen DM nur 40 Gruppen gefördert werden konnten, wollten fast alle wissen: „Wie kommt man ans Geld?“ - „Was haben die anderen besser gemacht?“ - „Welches sind die Kriterien?“ - „Wieviel Bier muß man mit welchem Beiratsmitglied trinken?“ Riposte: „Fünf!“

So fordert auch die Selbsthilfeorganisation der Freien Gruppen, das Spott, gleich zu Beginn eine separate Begründung für jeden der 153 Anträge, bei allgemeinen Reden werde man „dankend“ den Saal verlassen.

Obgleich den Beiratsmitgliedern dabei recht unwohl in ihrer Haut war - sie zogen sich auf die scheinbar unangreifbare Position eines ehrenamtlichen und von allen Seiten gleichermaßen geprügelten Mangelverwalters zurück -, kamen die fünf anwesenden Mitglieder dem Wunsche nach „Glasnost“, wenn auch nur äußerst unwillig und zäh, nach.

Denn für gewöhnlich gilt: Geld oder keins, eine Begründung gibt es nicht. Was dann allerdings vom Beirat zum blanken Entsetzen der Antragsteller „begründend“ zu hören war, machte auch dem solchen Institutionen gegenüber Naivsten überdeutlich, jegliche wie auch immer geartete „objektive“, nachvollziehbare Kriterien gibt und kann es vielleicht auch gar nicht geben. Dazu die letztlich doch unbegründet Abgelehnten: “... dann lieber ein Losverfahren.“

Jeder der Beiratsmitglieder pflegt seine individuellen Vorlieben. Man streitet sich halbherzig und nicht zu sehr mit den Kollegen. Das kennt man von Kaiser und Reich-Ranicki aus Klagenfurt auf niveauvollerer und vor allen Dingen amüsanterer Ebene. Im Zweifelsfalle fühlt man sich schlicht nicht zuständig, weil man die Gruppe nicht kenne. Allerdings entwickelt sich das zum Köpenickschen Teufelskreis für viele Gruppen, zu deren Premieren die entscheidenden Kritiker nicht kommen, eben weil sie keinen Namen haben, und die deshalb unbekannt bleiben, weil sie es sowieso sind. Ein Schicksal, das bei den mehr als 150 Freien Gruppen in der Stadt nicht allzu selten sein dürfte.

Mit Sicherheit jedoch trifft dies nicht für die „Rote Grütze“ zu. Deren Nichtförderung für das laufende Jahr wird von der alteingesessenen Kinder- und Jugendtheatergruppe als existenzbedrohend angesehen. Im letzten Jahr hatte man noch aus dem Projekttopf 220.000 DM erhalten, unter anderem für die Vorarbeiten zu einem Stück, das erst Ende dieses Jahres uraufgeführt werden soll. Die Weiterarbeit und Premiere seien nun gefährdet, heißt es. Der Beirat entschied, auch um ein politisches Signal zu setzen, die beantragte Fördersumme von 354.000 DM der Roten Grütze sprenge den Rahmen der Gesamtfördersumme. Noch vor zwei Jahren hatte die Rote Grütze vom Senat den Gebrüder-Grimm-Preis für ihr Stück Gewalt im Spiel erhalten und geglaubt, sie habe einen eigenen Haushaltstitel im Kreis der Gruppen, die kontinuierlich fest gefördert werden, erhalten. Ohne solch verläßliche Förderung ist eine Planung der Theaterarbeit unmöglich. Und das bundesweit renommierte Theater sieht nach der dreiwöchigen Jubiläumsveranstaltung (20.Februar bis 12.März) zum 16.Geburststag, der in den Räumen des Grips gefeiert wird, einer ungewissen Zukunft entgegen. Deshalb fordert man vom Senator dreierlei: eine Soforthilfe, um die Arbeiten am neuen Stück fortsetzen zu können, die kontinuierliche Spielstättenförderung und letztlich Hilfe bei der Suche nach dem immer noch fehlenden eigenen Theater.

S.R.