Gute Stimmung bei Willy

■ 4.000 SPD-AnhängerInnen bei Wahlkundgebung im ICC / Walter Momper geriet in Willy Brandts Schatten

„Maria, verteil doch mal den Walter, der ist doch auch was wert!“ ruft ein amüsierter bis genervter SPD-Pressesprecher seiner Helfe rin zu.

Die Veranstaltung mit Willy Brandt und Walter Momper am Mittwoch abend im ICC ist gerade zu Ende gegangen. Das Parteivolk, darunter erstaunlich viele Jugendliche, drängt nach der Rede Brandts nach vorne, um Blick, Hand oder wenigstens das Redemanuskript des Berliner sozialdemokratischen „elder statesman“ zu ergat tern.

Aufmerksam haben die 4.000 BesucherInnen den nicht immer ganz einfach zu folgenden Ausführungen ihres Ehrenvorsitzenden zur Deutschlandpolitik gelauscht. „Ich habe gehört, daß hier Wahlen sind“, sagt er zum Vergnügen der Anwesenden. Eigentlich sei sein Soll an Wahlkampfreden erfüllt, aber man mache ja schon einmal eine Ausnahme. Die GenossInnen danken ihm seine Berlin-Treue mit langanhaltendem Beifall. Verhalten fällt der Applaus dagegen aus, als Willy Brandt abweichend und zusätzlich zum Redemanuskript seinen sozialdemokratischen Freiheitsbegriff definiert. „Es ist nicht reglementiertes Glück, auf das wir aus sind.“ Kreativität und Individualität seien zu fördern.

Walter Momper konzentriert sich bei seiner Rede auf das soziale Elend. Arbeitslosigkeit, steigende Mieten, verschandelte Umwelt und teure Gesundheit gelte es zu bekämpfen. Tosender Beifall. Die Zeichen der Zeit erkennend, fügt Momper die Hochschulpolitik in seine Rede ein. Den TU -StudentInnen, die ihre Forderungen verlesen dürfen, versichert er, das alles habe die SPD eigentlich schon immer gefordert. Es sei ja auch an der Zeit gewesen, daß die StudentInnen endlich „aufbegehren“.

Bei dem schwierigen Auszug der 4.000 aus dem Saal - wegen der nebenan tagenden „Republikaner“ sind nur wenige Rolltreppen benutzbar - tauscht man im Gedränge Eindrücke aus. „Der hat nur zu lange geredet“, brummelt ein junger Mann mit Punk-Frisur, der ansonsten Willy „in Ordnung“ findet. Zwei Damen mittleren Alters sind ganz gerührt, ihren Willy endlich mal „live“ gesehen zu haben. „Er hat ja was“, findet die eine. „Soviel wie der hat noch kein Politiker für Berlin getan.“ Ihre Begleiterin möchte aber unbedingt auch etwas zum aktuellen Spitzenkandidaten loswerden. „Der Walter hat doch sehr aussagekräftig und gut gesprochen“, freut sie sich. „Da sieht man mal wieder, wie ein Mensch an seinen Aufgaben wächst!“ Spricht's und verschwindet in dem Pulk von Polizisten und Demonstranten in der Ein gangshalle. Offenbar ist „der Walter“ vielen tatsächlich „was wert“.

RiHe