Geisel-Ausschuß will TV-Filme

Radio Bremen soll sämtliches nicht gesendetes Material über die Geiselaffäre dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuß aushändigen / Sender weigert sich  ■  Aus Bremen Klaus Wolschner

Der Parlamentarische Untersuchungsausschuß „Geiseldrama“ in Bremen hat am Mittwoch nachmittag in großer Koalition der „Altparteien“ und nur gegen die Stimmen der Grünen beschlossen, beim Amtsgericht einen Beschlagnahme-beschluß für alle nicht gesendeten Radio-Bremen-Filmaufnahmen von der Geiselaffäre zu beantragen. Im äußersten Falle würde, stimmt das Amtsgericht diesem Begehren zu, der Staatsanwalt eine Durchsuchung der Radio-Bremen-Räume veranlassen müssen, um an das Bildmaterial zu kommen. „Freiwillig geben wir nichts raus“, erklärte der Radio-Bremen-Intendant Klostermeier dazu. Allerdings würde sich die Sendeanstalt einem Gerichtsurteil beugen.

Die SPD-Vertreter im Ausschuß haben ihre Zustimung zu dem Beschlagnahmeantrag mit der Erklärung verbunden, grundsätzlich sei die SPD nach wie vor für das Zeugnisverweigerungsrecht von Journalisten. Das gelte auch für eigenrecherchiertes Material. Andernfalls bestünde „die Gefahr, daß der Journalismus zum Hilfspolizisten der Staatsanwaltschaft gemacht wird“. Da Radio Bremen allerdings erklärt hatte, der Staatsanwaltschaft würde man das Material geben, forderte die Bremer SPD Gleichbehandlung für den Ausschuß.

In aller Offenheit hat Anfang der Woche in den Vernehmungen des Ausschusses der Bremer Polizeioberrat Hartmut Schmöe von Mängeln während des Einsatzes im August 1988 berichtet. Der Bremer Polizeiführer habe „offenbar nicht verstanden“, welche Aufgabe und welchen Sinn ein Führungsstab habe, und „an allen für ihn interessanten Fronten selbst“ agiert, anstatt einsatzstrategische Entscheidungen zu treffen.

Völlig unvorbereitet sei abends um 18.58 Uhr die Einsatzverantwortung auf Bremen übergegangen. Dabei wären nicht einmal genügend Polizeikräfte alarmiert gewesen, um den Raum um den gekaperten Bus gegenüber Neugierigen und Journalisten abzusperren. Der SEK-Leiter habe sich derweil nicht vor Ort, wo er hingehöre, sondern im Lagezentrum befunden. Und da nicht einmal geregelt worden war, auf welchen Kanälen die Einsatzleitung ihre Anweisungen funkt und wo die Beamten vor Ort ihre Gespräche führen konnten, sei das Funk-Chaos perfekt gewesen: „Jeder Beteiligte benutzte den Führungskanal.“ Dieser geharnischten Kritik wollte am Mittwoch auch der scheidende Bremer Polizeipräsident vor dem Ausschuß nicht widersprechen.