Giftschleuder Reinigung meiden

Chemische Reinigungen zu schließen, erlaubt die Gesetzeslage nur im Extremfall  ■  Ersatzstoffe für Per nicht in Sicht / Studie des

Gesundheitsamtes ermuntert zum Verbraucherboykott

Ist Ihnen schon einmal aufgefallen, daß der Angestellte in der chemischen Reinigung oft einen ausgesprochen glücklichen Eindruck macht? Sein subjektives Wohlbefinden kann objektiv ungesunde Ursachen haben: Tetrachlorrethylen, auch Perchlorethylen, kurz Per genannt. Per wirkt euphorisierend und kann, wenn man dem Stoff längere Zeit ausgesetzt ist, zur Sucht führen. Doch Per macht nicht nur süchtig, sondern auch sonst krank, krebskrank. Diesen Verdacht haben epidomologische Studien an beruflich exponierten Personen in den USA erhärtet.

Doch nicht nur Reinigungsangestellte sind gefährdet. Auch Anwohner chemischer Reinigungen. Aber anders als beispielsweise bei Asbest, ist die Diskussion über Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen noch in der

Anfangsphase. Experten streiten über die Höhe der Konzentration, bei der die Gesundheitgefährdung beginnt. Rechtlich verbindliche Grenzwerte fehlen. So legt beispielweise das Bundesgesundheitsamt die Grenze, ab der gesundheitliche Gefährdungen zu befürchen sind, auf 5 mg Per je qm Raumluft. Das gleiche Amt empfiehlt aber im Sinne des „vorsorglich anzuwendenden Minimierungsprinzips“ einen 50 mal niedrigen Wert, nämlich lediglich 0,1 mg je qm Raumluft, beziehungsweise Kilo Lebensmittel. Eben dieser Wert ist nach einer EG-Verordnung auch für Olivenöle verbindlich.

Um festzustellen, in welchem Ausmaß Menschen, die über chemischen Reinigungen leben, Per ausgesetzt sind, haben das Bremer Hauptgesundheitsamt und das Gewerbeaufsichtsamt eine

umfangreiche Untersuchung durchgeführt. Etwa 80 Reinigungen in Wohngebieen gibt es in Bremen, rund 30% der in Frage kommenden Reinigungen und ca. 15% der betroffenen Wohnungen wurden unterrsucht. Die Ergebnisse sind eindeutig: Ginge es nach dem vorsorglichen Minimierungsprinzip, müßten fast alle Reinigungen geschlossen werden. Egal, ob in der Luft oder in den Lebensmiteln - der 0,1 Mg-Wert wurde in 80% der Fälle überschritten.

Ein Reinigungsanrainer, der sich des abends genüßlich sein Käsebrot in den Mund schiebt, verzehrt mit einiger Gewißheit ein Lebensmittel, daß nach dem Lebensmitelgesetz nicht mehr

verkehrsfähig ist. Folge: Wer zum Beispiel 100 g mit 1mg/kilo belasteten Käse ißt, ha hinterher 5 mg/Liter Per im Blut. Und daß das Blut von Anwohnern erheblich Per-belastet ist, kann nach der Bremer Untersuchung nicht mehr bestritten werden. Dort heißt es: „Der Referenzwert für die Blubelastung von weniger als 1 mg/l Vollblut wurde vom gesamen Untersuchungskollektiv zum Teil in erheblichen Ausmaß überschritten.“ Der Durchschnittwert lag bei 43 mg/l. Fühlbare Folge: Dieser Personen klagen häufiger über Mattigkeit, Nervosität und Konzentrationsschwäche als Per -Unbelastete.

Da eine umweltverträglicher Ersatzstoff nicht in Sicht ist und

für eine Verlegung der Betriebe auf die grüne Wiese die gesetzlichen Voraussetzungen fehlen, kommen die Autoren der Studie zum Schluß: „Es muß für die Zukunft überlegt werden, ob chemische Reinigung überhaupt notwendig ist. Ein Verzicht wäre für den Verbraucher verhältnismäßig unproblematisch.“

So lange der glückliche Reinigungsangestellte noch Arbeit hat, muß er sich mit dem gleichen Problem, allerdings in einer ganz anderen Größenordnung herumschlagen. Der Grenzwert für die Luft in Reinigungen liegt um 3.450 Mal höher, als die Empfehlung des Bundes-Gesundheitsamtes für Anliegerwohnungen.

hbk