Ausschwitz mit großem A

Einspruch eines Bremer (jüdischen) Studenten gegen unverantwortliche Gedankenlosigkeiten im Uni-Steikrat  ■  D O K U M E N T A T I O N

Daß StudentInnen über ihren Streik berichten, ist eine selbstverständliche Sache. Nur hat dies dort seine Grenzen, wo eine Menschengruppe verunglimpft wird. Es geht hier um das Streik-Info Nr.12 vom 19.1.89. Dort heißt es:

„Rektor Timm wurde gestern (17.1.) belauscht, als er einer Zeitungsfrau gegenüber davon sprach, daß uns (den Streikenden-Besetzern) bald die Luft ausgehen werde und er garnichts tun müsse, nur abwarten. Rektor Timm

will uns Auss(chw)itzen!“

Mit großem A. Man muß sich den Satz sehr genau ansehen. Es stellen sich dann zwei Fragen. Gehört es schon zum allgemeinen deutschen Sprachgebrauch, Worte bzw Wörter für den StudentInnenstreik zu benutzen, die eindeutig mit der millionenfachen industriellen Vernichtung von Menschen durch die Nazis, belegt sind? Und, was genauso schwer wiegt, haben Studentinnen und Studenten denn nichts Geschichtliches vornehmlich der jüngst vergangenen - für ihr Abitur gelernt? Als ob der Staat heute Streikende, die gegen Stellenkürzungen und für Mitspracherecht an der Uni kämpfen, „Auss(chw)itzen“ wollte oder könnte. Welch ein unsinniger, geschichtsferner Vergleich.

Selbst einen Tag später, auf das Problem aufmerksam gemacht, erklärte mir eine Frau aus dem Streik-Rat, darüber sei nicht diskutiert worden. Das Pressebüro hatte den Text abgeschrieben, ohne sich etwas dabei zu denken. Dies ist in meinen Augen eine Verunglimpfung der in KZ's umgekommenen, besonders der der Opfer von Auschwitz. Selbst die einfache Frage nach dem Urheber wurde erst damit abgetan, er oder sie hätte das wohl unbewußt geschrieben, außerdem sei er nicht bekannt. Vermutlich geht auch hier dieser Vorfall im algemeinen UNiMUT-Trubel unter. Und das wollen dann och Leute sein, die für mehr Rechte 'politisch‘ kämpfen. Ekel -haft!

Leon Reindl

Anm. d. Red.: Nach der Kritik von Leon Reichl wurde der Vorgang im Streikrat am Donnerstag nachmittag angesprochen und eine Delegierte erklärte telefonisch gegenüber der taz -Bremen, die verwendete Sprachform sei „einfach peinlich“, ein „Versehen“, im Streikrat sei man betroffen und entschuldige sich. (taz)