Krise ohne Verursacher aber mit Manager

■ Unistreik: Rektor Timm tanzt zwischen allen Schützengräben im Kampf um NW 2 / viertelparitätische Kommission soll Bio-Prüfungsordnung erlösen / Am Montag Entscheidung über Besetzungsende

Es war die große Stunde des Krisenmanagers. Jürgen Timm, Rektor der Bremer Universität, versprach am Freitag morgen auf der Vollversammlung von 4-bis 500 Biologie-und ChemiestudentInnen, was er konnte. Nur: „Irgendwie muß Montagmorgen NW 2 frei sein, sonst bricht uns das Ganze weg.“

Will man sich ein Bild machen, um was es bei dem Kampf um NW 2 eigentlich geht, fängt man am besten mit denen an, die nicht da sind. Da gibt es verantwortliche Bildungspolitiker. Die lassen die Uni beschleunigt seit 1985 bis zu 12.000 StudentInnen vollaufen, obwohl die nur 8.000 fassen kann und freuen sich über das gleichzeitig sprunghafte Anwachsen von eingeworbener Drittmittel (in Bremen von 5 Mill. 1982 auf 30 Mill. 1988). Beides kumuliert bei den Biolog/ChemikerInnen, die zu den „Überlast„bereichen der Uni wie zu den Drittmittelfischern gehören. Wenn aber dann die StudentInnen das Haus besetzen, weil die Enge in den Praktika gesundheitsbedrohlich und die Lehre an professorale Forschungsinteressen angehängt wird, dann geht der zuständige Senator auf Konzertreise nach Südfrankreich. Horst-Werner Frankes Wissenschaftspolitiker, Senatsdirektor Reinhard Hoffmann, dessen Druck, die Regelstudienzeit zu senken, die letzten zwei Runden Kampf um die Diplomprüfungsordnung heraufbeschworen hat, war terminlich am Erscheinen verhindert.

Un dann gibt es noch eine Fachbereichsspitze, die in den BesetzerInnenn zu 70 % fachbereichsfremde Rechtsbrecher sah (Prof. Stohrer), deren Forderungen man nicht ein Jota bereit sei nachzugeben (Prof. Leibfritz; der fühlte sich durch eine BesetzerIn, die ihm ihr Tun mit dem Satz „Ich

nehme mir mein Recht“ erläutert hatte, an „die Zeit vor 40 Jahren“ erinnert.) Auf der VV vom Freitag hatte eine weise Hand Regie geführt und diese Professoren davon abgehalten, sich zu äußern. Erst als den StudentInnen das Schweigen der „Diktatoren des Professoriats“ auffiel, sprang Prof. Stohrer in die Bütt, wiederholte die Mittwoch bekundete „allgemeine Gesprächsbereitschaft“, von der er seine eigene ausnahm, bis er wieder an seinen Arbeitsplatz könne. Daß diese Linie seine persönliche blieb, lag sicher an Rektor Timm.

Der ging auf die studentischen Forderungen, mit denen sich auch die TechnikerInnen von NW 2 und die wissenschaftlichen MitarbeiterInnen solidarisiert hatten, weitgehend ein: Die geforderte ungewichtete Drittel-bzw. Viertelparität der Fachbereichsgre- mien sei für ihn als noch nach alter Drittelparität gewählten Rektor kein Problem. Die geforderte Professorenstelle für feministische Naturwissenschaftskritik habe der Akademische Senat eh beschlossen; zur Forderung, bei gleicher Qualifikation eine Frau als Virologin oder Biotechnolgin zu berufen, versprach er die Möglichkeit eines Sondervotums des Rektors am Fachbereich vorbei, zu Gunsten der Bewerberin -„Der Rektor hat das noch nie getan“ -; die Verstärkung der gesellschaftswissenschaftlicheGrundstudiumsanteile in der Diplomprüfungsordnung, O.K., die verlangte Aussetzung des Entwurfs der Prüfungsordnung habe er erreicht, die Frist des Senators gelte jetzt bis zum 24. statt ursprünglich bis zum 10. Januar, nur die Fragen der Vordiplomprüfungsordnung und der Regel

studienzeit seien schwierig, letztere auch, weil zwischen Uni und politischem Senat strittig. Die vorgekommenen Rechtsbrüche, kaputte Türschlösser, runtergefallenen Disketten müßten aber bezahlt werden. Timm forderte zu einer privaten Sammlung auf, die er persönlich mit einer gehaltsangemessenen Einlage beginnen wolle. Unter dieser Bedingung und wenn am Montag die Besetzung beendet werde, werde es von der Unileitung keine Repressalien gegen streikende/besetzende StudentInnen.

Nach soviel Zuckerbrot und sonem kleinen bißchen Druck brauchte es ein klein bißchen, aber dann dämmerte es einem Studenten gründlich. Daß die Betonfraktion wieder mit sich reden lasse, verdanke man einzig und allein der Bestzung. “ Sind wir da erstmal raus, dann machen die

weiter wie bisher.“ Großer Beifall. Über das Besetzungsende wird erst beschlossen, wenn ein mitbestimmter Diplomprüfungsentwurf auf dem Tisch liegt. Dazu wurde eine Kommission bestimmt aus je 3 Hochschullehrern, StudentInnen, Wimis, TechnikerInnen. Die soll bis

Montagmorgen den gordischen Knoten in Stücke hauen, die'wenn Timm keine schwerwiegenden Einwände mehr sieht, ohne Fachbereichsbeschluß an den Senator geleitet wird. Schlauer Timm: „Das Verfahren ist ja schon beim Senator.“

Uta Stolle