Bilder vom Leben im Uni-Streik

■ „Stimmung ausgesprochen gut“ / Seit gestern Geisteswissenschaften und Mehrzwechockhaus besetzt / Professoren, WiMis und Verwaltungsangestellte müssen draußen bleiben / Haustechnik und Putzfrauen solidarisch

Gestern sind zwei weitere wichtige Gebäude der Bremer Universität besetzt, verrammelt und in den Händen hochzufriedener StudentInnen: das der Geisteswissenschaften (GW 2) und das Mehrzweckhochhaus (MZH) mit Rektorat, Verwaltung und Rechenzentrum. Schlösser sind mit Sekundenkleber dichtgemacht. Hinter verrammelten Glastüren stapeln sich Tische und Stühle. Professoren, Wissenschaftliche MitarbeiterInnen und Verwaltungsangestellte können gleich wieder umkehren. Freitag vormittag: StudentInnen strömen in Richtung Bibliothek: „Da diskutieren StudentInnen mit Rektor Timm und Profs über unsere Forderungen!“ (vgl. S. 26). Im be

setzten MZH ist ganz professionell eine Pressekonferenz anberaumt; Eingang nur durch die Drehtür und mit dem „OK“ der beiden Streikposten - nur für Presse und StudentInnen. Im rappelvollen Kleinen Kongreßsaal stellen Streikrat, autonome Frauen, NaturwissenschaftlerInnen und Internationale StudentInnen ihre Forderungen. Für: Projektstudium für alle, Einstellung von Frauen auf alle Stellen, bis 50% Weiblichkeit erreicht ist, feministische Lerninhalte, Bücher, Räume und eine feministische Bibliothekarin, für bessere Nacht-Beleuchtung und Verkehrs -Anbindung der Uni (Sonderbeifall), für materielle Absicherung aller StudentInnen, auch der „interna

tionalen“. - Gegen: Gen-und Reprotechnik, „sexistische Sprüche und Gegrabsche von Profs und Studenten“, Zugriff von Industrie und Gentechnik auf die Uni, Humangenetische Beratungsstelle, gegen Ausländergesetz und Sprachprüfungen. Die Liste ist noch länger und „erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit“ - kurz: „für ein selbstbestimmtes Leben“.

Der junge Student „vom Streikrat“ will an Frankes Adresse richtig sagen, was Sache ist: „Die Zeit zu glauben, wir würden uns schon wieder beruhigen, ist vorbei! Aussitzen könnte zu ausschwitzen werden!“ Empörtes Gezische, Tumult, Zwischenrufe: „Idiot! So unsensibel!

Laß das doch weg, Mensch!“ Mit roten Ohren fragt der seine Streikrats-Nachbarfrau, was er getan hat. Sie: „Wegen „ausschwitzen“, wegen Aus-schwitz!“ Ach, das. neuer Anlauf: „Also... aussitzen könnte zu Schwitzen werden.“ (vgl. Dokumentation und Entschuldigung aus dem Streikrat S. 26)

Zwei Frauen aus dem besetzten NW2 stellen noch mal klar: „Wir zeigen, daß wir fähig sind, Druck auszuüben und ganz empfindliche Stellen zu treffen - durch Lahmlegen der Forschung für Industrie-Aufträge.“ Inzwischen - großer Jubel - haben sich Haustechnik, Wissenschaftliche MitarbeiterInnen und Putzfrauen solidarisch erklärt. Was noch nie war: Biologie-, Chemie-und Geisteswissenschafts-StudentInnen sind miteinander in Debatten verstrickt. Resümee der NW2-Frau: „Die Stimmung ist ausgesprochen gut!“

Nebenan im ebenfalls rappelvollen Kongreßsaal tagen rund 200 InformatikerInnen, mehrheitlich und mehrredend Männer. Meinungsbild: deutlich mehrheitlich für Besetzung. Weiterstreiken? Die, die reden, sprechen sich dafür aus vorausgesetzt, daß „das Herumgehänge“ und „Urlaub zu Hause“ aufhören. Die Abstimmung fällt so knapp aus, das ordentlich parlamenratisch hammelgesprungen wird: hauchdünn sprechen sich 122 für und 103 gegen Streik aus.

Kaum ist der Bratfisch in der Mensa schlangestehend abgeholt und runtergeschlungen, beginnt die Vollversammlung im besetzten GW 2. Einziger offener Eingang: Westseite. Innen ist alles kaum wiederzuerkennen, sieht deutlich mehr nach Fest und Frohsinn als nach Referaten aus. Krümel und Getränkebecher im großen Eingangsrund des Kellers, die Wände über Nacht voller Parolen. Schön neonrosa hauptsächlich. Kostproben: „Liebe, Anarchie & Luxus“ mit Herz, „A“ im Kreis und Daimler-Stern, oder „mach auch dein Brett vorm Kopf zur Waffe“. Zum dritten Mal rappelvolle, luft-und lichtlose Versammlung, im Keller, der hier geschönt „Null -Ebene“ heißt. Die Ökonomie-StudentInnen haben mittags beschlossen, den Streik abzubrechen. Sie sitzen aber im GW 2. Das ist aber nun besetzt und soll es auch bleiben. Beschluß: GW 2 bleibt dicht. Auch Ökonomie-Profs kommen nicht rein. Wer veranstalten will, soll sich woanders Räume suchen. Beschluß zwei: Weil heute der Gerichtsvollzieher schon in der Kita stand, soll am Montag der Bildungsdeputation Dampf gemacht werden - für die Absicherung der Kita und überhaupt für einen Begriff vom Streik. Treff: Montag, 10.30 Uhr, Bildungsbehörde am Breitenweg. Susanne Paa