WHISKY PER TUTTI!

■ Puccinis „Mädchen aus dem goldenen Westen“ mit Mara Zampieri und Placido Domingo

Das Ereignis war wohl eher ein gesellschaftlich wichtiges als ein musikalisch bedeutendes. Placido Domingo gab sich die Ehre, die Deutsche Oper zu besingen. Und man/frau war sehr festlich gestimmt. So führten die BerlinerInnen ihre Gala-Garderobe (vom Feinsten und Schrillsten) während zweier Pausen durch die Wandelhallen spazieren, zur Wiederaufnahme von Giacomo Puccinis „Mädchen aus dem goldenen Westen“.

Die seltsame Mischung des italienischen Textes der 1910 uraufgeführten Oper mit amerikanischem Wortkolorit ist auffällig. Daß Puccini immer wieder Gefallen an Exotischem fand, ist bekannt. Die Darstellung der hartgesottenen Männerwelt des Goldrauschs Mitte des letzten Jahrhunderts, eine Wildwestoper, also ein „Italowestern“ besonderer Art, stellt jedoch einen Sonderfall des Exotischen dar. Indes, nicht ein Mann steht im Mittelpunkt des Geschehens dieser ach so rauhen Männerwelt (auf der Opernbühne wirkt eben auch dies eher pittoresk), sondern Minnie, die Barkeeperin. Und sie führt ein strenges Regiment. Im ersten Akt hält sie gar eine Bibelstunde ab, und die Burschen lauschen andächtigst. Sie ist es schließlich, die den „Bösewicht“ Ramerrez (der ulkige Kuhpelz, in den sich Domingos stattliche Figur hüllt, ist sein Statussymbol!) gleich zweimal rettet. Einmal vor dem Zugriff des Sheriffs (George Fortune, ein stimmgewaltiger Gegenspieler) und zum zweiten vor dem Galgen - aus lauter Liebe, versteht sich. Außerdem zieht sie mit ihm von dannen; sie hat einen guten Menschen aus ihm gemacht. Kaum zu glauben und selten genug - aber wahr: ein Happy-End.

Mara Zampieri trägt den Konflikt, einen Verbrecher zu lieben, glaubwürdig aus. Sie engagiert sich stimmlich und darstellerisch in jedem Detail, gibt der Rolle Profil und musikalische Durchdringung. Ihre Stimme verfügt über elegisch-heroischen Glanz und macht sie zur wahren Heldin. Nach Ende des zweiten Aktes ist ihr die Erschöpfung anzusehen.

Sie bestimmt also den Abend - nicht etwa Domingo, der sich tapfer um den Ramerrez bemüht, aber nicht immer alles zu geben scheint. Man könnte das „Ereignis“ Domingo auch mit den Worten überschreiben „Warten auf die Kantilene“ - und sie kam, im letzten Akt, kurz, aber heftig - und schön.

Puccinis Opernrealismus geht so weit nicht, daß Whisky für uns alle ausgeschenkt worden wäre. Zumindest gab und gibt es (heute, 19 Uhr und Mittwoch, 20 Uhr, ausverkauft) Domingo für all diejenigen, die ein Kärtchen ergattern konnten. Schade, daß die Produktion nur in Glanzlack herausgebracht wird, in den Genuß dieses Opernwestern kommen so nur Domingo -Fans.

Anno Mungen