Endlose Schülerstreiks

■ Antifa-AG des Askanischen Gymnasiums will mit „Republikanern“ diskutieren

„30 Schüler in den Klasse sind wie 3 auf einem Klo.“ „Zuviel Schüler in den Klassen, zuviel Lehrer auf den Straßen.“ Aufgemalt auf großen Plakaten hängen diese Sprüche unter den Fenstern der Ulrich-von-Hutten-Schule in Lichtenrade. Hier geht heute mit einem Tag der Offenen Tür eine lebhafte „Aktionswoche“ zu Ende. Die SchülerInnen haben sich ihren Unterricht selbst gemacht und den Boykott der regulären Schulstunden auch wohlorganisiert. Geschwänzt wurde nicht: Alle mußten sich morgens in Anwesenheitslisten eintragen und mittags auch wieder austragen. Wer gefehlt hat, wird eine Entschuldigung bringen müssen.

Niemand wurde gezwungen, am Boykott teilzunehmen. Da die LehrerInnen als Beamte verpflichtet sind, regulären Unterricht anzubieten, gab es teilweise Unterricht für wenige oder sogar nur für einen. Klassenarbeiten und Abiturarbeiten waren vom Boykott ausgenommen. Die meisten SchülerInnen aber waren mit Spaß, Lust und Fleiß mit Themen beschäftigt, die sie sich selber gestellt haben und die sie gewöhnlich in der Schule vermissen: Da gab es eine Antifa -AG, die sich mit dem Faschismus-Problem unserer Zeit beschäftigte, eine Gesundheits-AG, die über vegetarische Ernährung arbeitete, eine Öko-Teich-AG, alternativer Biologie-Unterricht, eine Chemie-AG, die biologische Seife, Limonade und Gummibärchen herstellte. Die SchülerInnen leiteten die AGs weitgehend selbst, teilweise halfen LehrerInnen.

Auf Mißstände an ihrer Schule wollen die Lerneifrigen aufmerksam machen: Zu Beginn dieses Schuljahres seien teilweise Klassen zusammengelegt und dadurch Klassenfrequenzen unerträglich erhöht worden. Außerdem seien sechs Lehrer abgezogen worden, so daß es für Erkrankungen keine Vertretungen mehr gebe, beklagt Schülersprecher Andreas. Schon im Juni '88 hatten die SchülerInnen der Schule zwei Tage gestreikt. Aber weder das noch ein kurzer Besuch von Schulsenatorin Laurien habe irgendeine Verbesserung gebracht.

Inzwischen haben sich SchülerInnen von mehreren Schulen zusammengetan: Auch die Georg-Büchner-Schule und andere Tempelhofer Schulen führten Aktionen durch und erklärten sich solidarisch. Es wurden Flugblätter verteilt und Info -Stände in Einkaufsgegenden organisiert. Das Askanische Gymnasium will nächste Woche in einer VV über Boykotte abstimmen und ließ durch einen Schüler mitteilen, daß die Antifa-AG zu einer Podiumsdiskussion am Mittwoch um 13.30 Uhr einlädt: Der stellvertretende Landesvorsitzende der „Republikaner“, Carsten Pagel, will mit SchülerInnen und einem Mitarbeiter der Ausländerbeauftragten des Senats diskutieren.

Ein Schüler des Friedrich-Ebert-Gymnasiums teilte mit, daß die Wilmersdorfer Schule am Freitag besetzt worden sei und zwei Tage der Unterricht boykottiert werde. Es hätten sich zahlreiche Arbeitsgruppen zu schul- und unterrichtsrelevanten Tehmen gebildet. Heute ab 14 Uhr und Sonntag ab 12 Uhr findet in der Paul-Natorp-Schule, Goslarer Straße 13-15, Nähe Friedrich-Wilhelm-Platz, eine LandesschülerInnenkonferenz zu den SchülerInnen-Forderungen statt, zu der alle SchülerInnen eingeladen sind. Auch Frau Laurien wurde eingeladen, soll aber abgesagt haben.

gebo