Strukturreform im Rückwärtsgang

■ Das Kuratorium der Freien Universität beschloß gestern die Aufhebung der Strukturreform in Teilbereichen / Fünf Institute bleiben verschont

Für die ProfessorInnen ein Erfolg, für die StudentInnen ein erster Schritt: Das Kuratorium der FU beschloß gestern morgen in einer Sondersitzung, die FU-Strukturreform teilweise wieder rückgängig zu machen. Damit kamen die Delegierten im wesentlichen den Lösungsvorschlägen der Professorengruppe um Gesine Schwan und Uwe Wesel entgegen. Die anwesenden StudentInnen im Sitzungssaal des Henry-Ford Baues protestierten lautstark gegen eine bloße Änderung der Strukturreform. Sie fordern die gänzliche Rücknahme der Beschlüsse. „Das sind doch bloß Beruhigungspillen“, empörte sich eine Studentin über die Ergebnisse der Kuratoriumssitzung.

Vier Institutszusammenlegungen, beschlossen die Deligierten, sollen rückgängig gemacht werden. Das Lateinamerika-Institut wird demnach nicht, wie geplant, an die Romanistik angegliedert. Auch der philosophische Fachbereich soll vorerst in der Verbindung mit den Sozialwissenschaften fortbestehen. In einer engagierten Rede vor dem Kuratorium betonte der Philosophieprofessor Michael Theunissen die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit der beiden Wissenschaften. Die vorgesehene Zusammenlegung der Philosophie mit dem geschichtswissenschaftlichen Fachbereich sei, so Theunissen, bar jeglicher Grundlage und gehe auf Kosten der kritischen Lehre.

Das Osteuropa-Institut sowie die beiden psychologischen Fachbereiche an der FU werden ebenfalls von der Strukturreform verschont bleiben, beschloß das Kuratorium. Vorerst für ein Jahr sollen die betroffenen Institute in ihrer jetzigen Struktur belassen werden, so FU-Präsident Heckelmann. Bis dahin müsse eine neue Lösung für die Fachbereiche gefunden werden. Heckelmann begrüßte die Vorschläge der Professorengruppe, die jetzt durch die Kuratoriumsbeschlüsse realisiert worden seien. Ihre Forderung nach mehr Mitbestimmung müsse jedoch an den Akademischen Senat der FU weitergeleitet werden.

„Das Kuratorium hat in dieser Frage keine Legitimation, Beschlüsse zu fassen“, so der FU-Präsident. Er sei aber damit einverstanden, daß eine universitätsweite Kommission gebildet werde, die sich mit den Mitbestimmungsforderungen befasse.

Außer den Änderungen bei der Strukturreform stimmten die Kuratoriumsmitglieder auch für eine Rücknahme der Stellenkürzungen. Außerdem müßten im Rahmen der Arbeitszeitverkürzung 220 neue Stellen an der FU eingerichtet werden. Das Gremium forderte dazu auf, die Streichung von 60 Millionen Mark in den Jahren 1981 bis 85 zurückzunehmen. Fünfzig eingesparte Stellen müßten an der FU ebenfalls wieder neu besetzt werden.

Ein Sprecher der Professorengruppe begrüßte ausdrücklich die Abstimmungsergebnisse. Es habe einen ersten Durchbruch im Kuratorium zugunsten der streikenden Student Innen gegeben. Nun sei es wichtig, daß auch der Senat zu den hochschulpolitischen Forderungen Stellung nehme. Die Hochschulgesetze müßten novelliert werden. Die Forderung nach mehr Mitbestimmung sei hierbei das zentrale Thema, meinte der Dozent.

Die StudentInnen, die die Kuratoriumssitzung trotz heftiger Proteste gegen die Beschlüsse nicht sprengten, sehen die Möglichkeiten für Verhandlungen wieder in weite Ferne gerückt. Nun sei auch die letzte Chance verspielt, den inhaltlichen Forderungen der StudentInnen zu entsprechen, hieß es in einer Stellungnahme des FU-Besetzungsrates. Eine zeitliche Aufschiebung der Institutszusammenschlüsse würde als Problemlösung verkauft. Außerdem habe das Kuratorium nur empfehlenden Charakter. Die StudentInnen forderten in ihrer Presseerklärung, daß es vielmehr Sache des Senats sein müsse, Lösungen zu offerieren.

Wissenschaftssenator Turner, der Vorsitzender des Kuratoriums ist, erklärte, es sei dringend notwendig gewesen, die Strukturreform teilweise wieder rückgängig zu machen. Die Debatte darüber hätte ein „hohes Maß an Emotionalisierung“ erreicht. Mit der Rücknahme sollte zur „Befriedigung der Situation“ beigetragen werden, erklärte Turner nach der Kuratoriumssitzung.

Christine Berger