Thatcher schiebt gnadenlos ab

Die britische Regierung entledigt sich ihres bekanntesten politischen Flüchtlings / Singhalese Viraj Mendis nach Sri Lanka abgeschoben / Anderen Flüchtlingen droht verschärfte Fahndung  ■  Aus London Rolf Paasch

Der Singhalese Viraj Mendis ist gestern von Großbritannien aus nach Sri Lanka abgeschoben worden. Noch Stunden vor der angekündigten Ausweisung des singhalesischen Flüchtlings Viraj Mendis (die taz berichtete) durch die britische Regierung hatten sich dessen Anwälte und UnterstützerInnen bemüht, ein anderes EG-Land zu dessen vorübergehenden Aufnahme zu überreden, bis der Europäische Gerichtshof das abschließende Urteil über sein Asylgesuch gesprochen hat. Vor dem Flughafen protestierten gestern ein Dutzend Menschen gegen die Abschiebung.

Mendis, der 1973 nach Großbritannien gekommen war, hatte sich nach Ablauf seiner Aufenthaltsgenehmigung bis vor zwei Jahren noch unbehelligt in Großbritannien aufhalten können. Als politischer Aktivist und engagierter Helfer in kirchlichen Flüchtlingshilfe-Organisationen hatte er sich in seiner Gemeinde in Manchester beliebt und bei den staatlichen Stellen unbeliebt gemacht. Als die Einwanderungsbehörden vor zwei Jahren seine Abschiebung einleiteten, suchte er Zuflucht in der Sakristei der örtlichen „Auferstehungskirche“.

Nachdem sein Asylgesuch vor wenigen Wochen auch vor der letzten Instanz der britischen Gerichtsbarkeit gescheitert war, hatte ihn die Polizei am Mittwoch aus seiner Zufluchtstätte zur Abschiebung in ein Londoner Gefängnis gebracht.

Der Fall Mendis hatte auf die sich drastisch verschlechternde Asylpolitik der britischen Regierung aufmerksam gemacht. Neue Gesetze, die Fluggesellschaften Geldstrafen aufdrücken, wenn sie illegale Flüchtlinge befördern und ihnen die Möglichkeit zur Berufung nehmen, haben die Zahl der Asylbewerber im letzten Jahr auf 2.000 halbiert. Im Vergleich dazu bewarben sich 1987 in der BRD noch 57.000 Menschen um Asyl. Großbritannien hat sich unter der Regierung Thatcher vom liberalen Einwanderungsland zu einem der asylfeindlichsten EG-Staaten entwickelt. Wie in den meisten dieser Fälle, so behaupten Behörden und Gerichte auch im Fall Mendis, daß für den Singhalesen, der sich nachdrücklich für die tamilische Bevölkerungsminderheit und Befreiungsbewegung eingesetzt hat, im Falle seiner Rückkehr keine Lebensgefahr bestehe.

Nach Mendis‘ Abschiebung müssen jetzt auch die anderen untergetauchten Flüchtlinge mit einer verschärften Fahndung durch die Polizei rechnen. Es wird geschätzt, daß gegenwärtig mehrere Dutzend in dem von einem privaten Flüchtlings-Netzwerk zur Verfügung gestellten „sicheren Haus“ vor den Einwanderungsbehörden Zuflucht gesucht haben.