„Diese Befehle sind nicht rechtens“

■ Israel: Scharfe Kritik an den neuen Befehlen zum Schußwaffengebrauch der Armee gegen Palästinenser

Aus Tel Aviv Amos Wollin

Nach der heftigen Kritik im In- und Ausland diskutierte gestern das israelische Kabinett die neuen Verordnungen zum Schußwaffengebrauch gegen Palästinenser in den besetzten Gebieten. In Regierungskreisen wird das verschärfte Vorgehen des Militärs inzwischen als kontraproduktiv angesehen. Die Verordnung, nach der auch einfache Soldaten auf Palästinenser schießen dürfen, wenn diese Steine werfen, Straßensperren errichten oder Autoreifen verbrennen, war als weiterer Schritt gegen die Intifada, den Aufstand in den besetzten Gebieten, getroffen worden. Inzwischen ist jedoch auch in Tel Aviv deutlich geworden, daß diese „Strafmaßnahme“ ebenso wie die Sprengung von Häusern nicht nur massive Kritik der liberalen Opposition in Israel ausgelöst hat. Der Aufstand selbst hat sich seit dem noch schärferen Vorgehen des Militärs wesentlich verstärkt.

Auch unter Juden in den USA hat sich seitdem die Kritik an Israel verstärkt. Noch in dieser Woche wird der Jahresbericht des US-Außenministeriums über Menschenrechtsverletzungen vorgelegt werden; darin ist auch harte Kritik an Israel zu erwarten. Israelische Juristen und einige Politiker verweisen darauf, daß die neuen Verordnungen gegen internationales Recht verstießen und in die Kategorie von Kriegsverbrechen fallen müßten. Knesset -Mitglied und Justiz-Professor Amnon Rubinstein meint, israelische Soldaten sollten den Schießbefehl mit den neuen Plastikkugeln verweigern, weil die Befehle der Armee illegal seien. „Töten als Form einer Strafmaßnahme ist nicht rechtens und deshalb sind die neuen Befehle nicht rechtens.“

Am Gefängnis „Ansar 3“ in der Wüste Negev, wo die meisten der unter administrativer Haft eingesperrten Palästinenser untergebracht sind, begann gestern eine Protestaktion der Bewegung „21 Jahre gegen die Besetzung“. Die Aktion, an der namhafte Künstler und Schriftsteller teilnehmen, richtet sich besonders gegen das System der adminitrativen Haft, mit der Tausende von Palästinensern ohne Anklage oder Gerichtsverfahren festgehalten werden.