piwik no script img

Watschn vom BGH für Bayerns Justiz

Bundesgerichtshof hält bayerische Zensurforderung an den Buchhandel für Unrecht / Freispruch für Münchnerin  ■  Von W.Zimmermann-Hedewig

München (taz) - BuchhändlerInnen dürfen auch durch die Bayerische Justiz nicht dazu gezwungen werden, die Texte in ihrem Laden auf strafbaren Inhalt zu überprüfen. Eine entsprechende Entscheidung des Bundesgerichtshof zugunsten einer Münchener Buchhändlerin wurde der Betroffenen Ende vergangener Woche mitgeteilt. Ursula Wolf war wegen der nur im bayrischen Recht zu findenden Bestimmung über die „fahrlässige Veröffentlichung“ einer Zeitschrift verurteilt worden. Die obersten Richter des Freistaats hatten die Händlerin im April letzten Jahres bestraft, weil sie das Blatt 'Freiraum - Bayerischer Frühling‘ verkauft hatte. Die Strafe wegen „fahrlässiger Verbreitung von Druckwerken strafbaren Inhalts“: 3.750-Mark.

Dieses Urteil stieß in Kreisen von BuchhändlerInnen und in der Öffentlichkeit auf scharfe Kritik, weil es eine Überprüfungs- und Zensurpflicht des Handels ins Uferlose ausgedehnt hatte. Dagegen wandte sich jetzt der Dritte Senat des Bundesgerichtshofs. Die BuchhändlerInnen könnten die von den Bayern geforderte Überprüfung praktisch nicht erfüllen, deshalb dürften sie schon gar nicht dazu verpflichtet werden. Im 'Freiraun‘, einer Zeitschrift südbayerischer Anar

Fortsetzung auf Seite 2

chisten, war über den Widerstand gegen die WAA in Wackersdorf berichtet worden.

Ursprünglich wurde der jetzt freigesprochenen Ursula Wolf gar vorgeworfen, durch den Verkauf des Blattes eine terroristische Vereinigung unterstützt zu haben. Wolf konnte jedoch nachweisen, daß der 'Freiraum‘ ohne ihre Kenntnis und ihr Wissen in den Laden gekommen war und an eine von der Polizei gesandte Scheinkundin verkauft wurde. Statt das Verfahren einzustellen, wichen die bayerischen Richter auf die nur im Freistaat geltende Vorschrift des

Pressegesetzes aus und konstruierten die grenzenlose Überprüfungspflicht. Als Buchhändlerin sei Ursula Wolf gehalten, hieß es damals, „ihren gesamten Warenbestand entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu überprüfen“.

Dem Versuch der Bayerischen Justiz, die strafrechtliche Verantwortlichkeit für den Inhalt von Publikationen bis in den Buchhandel voranzutreiben, unterband der BGH zwar. Der Münchener Strafverteidiger Wolfgang Bendler erinnerte jedoch daran, daß Ursula Wolf fast zwei Jahre lang einem bedrohlichen Verfahren mit Hausdurchsuchungen, Vernehmungen und einer mehrtägigen Hauptverhandlung ausgesetzt war.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen