„Klima Fieber“ bei der Giftgrünen Woche

■ Die kritische Alternativveranstaltung zur Freßmesse „Grüne Woche“ beschäftigt sich mit dem Treibhauseffekt / Katastrophentunnel und Dschungelatmosphäre als Ausstellungsmittel / Biotechnik ist ein Schwerpunkt auf der regulären „Grünen Woche“ unterm Funkturm

Ist normalerweise der Unterschied zwischen Grün und Giftgrün ein Fall für sensible Farbexperten, so zeigt sich ab kommendem Freitag wieder die kleine, aber feine Differenz ganz groß: die „Giftgrüne Woche“ des Ökowerkes als etablierte Alternative zur Freßmesse „Grüne Woche“ unter dem Funkturm. Halten dort überwiegend „Fleischbeschau“ und Butterberg die Stellung, versuchen die Ökowerkler giftgrün den Landraubbau unter die Lupe zu nehmen. „Klima-Fieber“ ist das Motto der diesjährigen Alternativveranstaltung. Nicht der krankhaften Reisesucht in wärmere Regionen soll damit ein Podium geschaffen werden, sondern einem knallharten Atmosphäreproblem: Treibhauseffekt, Ozonloch, Klimakatastrophe. Mit Vorträgen, Filmen und Diskussionsveranstaltungen wollen die Veranstalter in der Kurfürstenstraße dieses Thema bis zum 12. Februar wieder verschärft zur Sprache bringen. Dabei soll vor allem die Abholzung der Tropenwälder im Vordergrund stehen. Als Auftaktveranstaltung am Samstag informieren Kirst King Jones und Achim Köhne von der Umweltgruppe „Robin Wood“ über Regenwald und Konsumterror. „Essen mit Spaß oder der etwas andere Völkermord“ ist nur eine der Veranstaltungen, in denen der konkrete Bezug von Fastfood zu den Holzfällereien im Dschungel aufgezeigt wird. „Auf den abgeholzten Flächen weiden Rinder, die später vor allem zu Hamburgern verwurstet werden“, erklärt ein Mitarbeiter vom Ökowerk schon vorab den Zusammenhang. Fazit: Jeder Biß in den Burger, ein Eigentor für den Bürger.

Ein „Katastrophentunnel“ soll diese Tatsache auch dem sorglosesten „Giftgrüne Woche„-Besucher vor Augen führen. Als Bestandteil der themenbegleitenden Ausstellung werden die Stellwände der „Röhre“ durch Photos, Zeitungsberichte und Dokumentationsmaterial über die ökologischen Katastrophen der letzten Zeit verzieren.

Die Ausstellung soll jedoch nicht nur visuelle Katastrophengenüsse bieten. „Wir richten extra eine Tropenwaldecke ein. Da gibt's dann auch Dschungelatmosphäre vom Tonband“, so der Ökowerkler. Jedoch sei das dann nicht das Kreischen der Motorsäge, die sich gerade in einen Urwaldmammut frißt, sondern Affengeschnatter und Tigergebrüll.

„Zu essen gibt's natürlich auch was“, versichert der Klimainszenierer, jedoch, in Tropenholz läßt sich schwer beißen, „Energiebällchen und Vollkornkuchen“. Mittlerweile sei man auch nicht mehr so drauf aus, die „Grüne Woche“ als Freßmesse zu entlarven und nur alternative Eß- und lebensgewohnheiten aufzuzeigen. „Auf unserer ersten Woche vor acht Jahren, da hatten wir als Thema 'Ernährung und landwirtschaft‘, um der Messe ein kritisches Contra zu geben. Jetzt sprechen uns die Veranstalter der 'Grünen Woche‘ ja sogar schon an, ob wir nicht in den Messehallen ausstellen wollen.“ Ein gespanntes Verhältnis habe es aber von Anfang an nicht zwischen Ökodorf und AMK, als Messeveranstalter, gegeben. „Die weisen ja sogar in ihrem Veranstaltungskalender auf uns hin und verstehen uns als Bereicherung ihres eigenen Programms“, erklärt der Veranstalter von „Klima- Fieber“. Auf dem Messegelände ausstellen wolle das Ökodorf aber auf keinen Fall. „Da würden wir ja untergehen, neben dem riesigen Rummel, den die anderen Beschicker veranstalten.“ Aber auch ohne ihre Präsenz auf der „Grünen Woche“ seien mittlerweile auch kritische Stimmen auf dem Messegelände zu hören. Die „Arbeitsgemeinschaft kritische Tiermedizin“ oder das „Gen -ethische Netzwerk“ leisteten da, ganz im Sinne des Ökodorfs, ihren Beitrag. So umreißt der „Dorfbewohner“ auch das Ziel der „Giftgrünen Woche“ so: „Wir machen nicht unbedingt eine Gegenausstellung. Wir wollen einfach über 'ne bestimmte Sache informieren, die gerade besonders aktuell ist. Diesmal ist das die Klimakatastrophe.“

Biotechnik und Leberwurst

Die „54. Internationale Grüne Woche“, eine Konsumshow, die weltweit ihresgleichen sucht, befaßt sich mittlerweile nicht mehr nur mit Käsesorten und Leberwurst: Die Biotechnik hat es den Veranstaltern diesmal angetan. „Künstliche Besamung“ und „Embryotransfer“, womit den Haustieren, zwecks gesteigertem Zuchterfolg, das Leben schwer gemacht wird, sollen ab Freitag in den Messehallen zur Diskussion stehen. Wissenschaftliche Institute und Verbände werden den erwarteten über 400.000 Besuchern dafür den neuesten Stand der Technik vor Augen führen.

Ansonsten zeigen sich auf dem Messegelände die üblichen toten und lebendigen Gaumenfreuden. Auf dem „Seafoodmarkt“ wird die wurmgeschädigte Fischindustrie versuchen, ihr lädiertes Image aufzupolieren. Insgesamt 54 Länder sorgen in den 25 Messehallen für Völlerei nach Lust und Laune, zum ersten Mal ist auch die UdSSR vertreten. Längst sind die angebotenen Häppchen und Delikatessen nicht mehr gratis. Wer sich durch die „Grüne Woche“ schmausen will, muß schon tief in die Tasche greifen.

Christine Berger