Eiskalte Besetzung

■ 20 SchülerInnen übernachteten in 10 Schlafsäcken vor ihrer Schule / „Wir sind keine verwöhnten Wohlstandskinder“

Rund 60 Schüler versuchten gestern in den Abendstunden, im Anschluß an die LandesschülerInnenkonferenz, die Paul-Natorp -Oberschule in Schöneberg zu besetzen. Sie brachten Schlafsäcke in die Kellerräume. Gegen 23 Uhr jedoch verließen sie die Schule, nachdem der Hausmeister, laut Schüleraussagen, mit der Polizei gedroht haben soll. 20 Mutige gaben allerdings nicht auf: sie verbrachten die Nacht in Schlafsäcken vor der Schule. Es sollen -4 Grad Außentemperatur gewesen sein! Die taz sprach mit einem der Beteiligten:

Matthias, wie habt ihr das überstanden?

Leute aus der Nachbarschaft haben uns Verpflegung gebracht, das war ganz gut - was zu essen, Kekse und heißen Tee. Das war toll von denen. Geschlafen haben wir fast gar nicht, einige haben es geschafft, ungefähr drei Stunden zu schlafen. Es war entsetzlich kalt, wir bekommen bestimmt Schnupfen.

Stimmt es, daß ihr für 20 Leute nur 10 Schlafsäcke hattet?

Ja das stimmt. Wir haben zu zweit in einem Schlafsack gelegen.

Habt ihr euch gegenseitig gewärmt?

Nee...!

Und warum habt ihr euch diesen Unbillen ausgesetzt?

Wir wollten der Hanna Laurien beweisen, daß wir keine „verwöhnten Wohlstandskinder“ sind und daß es sich nicht um „Indianderspiele“ handelt. So hatte sie es ja gesagt. Und „vorweihnachtlich“ ist das auch nicht. Das hatte sie alles gesagt. Wir machen auch jetzt noch weiter, weil wir eine andere Schulpolitik wollen. Wir haben vor der Schule gewacht, weil wir die Schüler gleich in Empfang nehmen und die VV vorbereiten wollten. Die Schule sollte ja heute bestreikt werden.

Demo gegen Bildungspolitik

Gestern früh um 8 Uhr 15 sammelte sich ein Großteil der SchülerInnen der Paul-Natorp-Oberschule, von der siebten Klasse angefangen, zur VV, um über Streik abzustimmen. Es wurde mit großer Mehrheit beschlossen, am Montag den Regelunterricht zu boykottieren, da Schulsenatorin Laurien bisher auf die Forderungen der SchülerInnen noch gar nicht eingegangen sei, so hieß es. Es wurden AGs gebildet zu den üblichen Themen wie „Streikforderungen“, „Streikzeitung“, „Republikaner“, aber auch, man höre und staune, „Klosprüche abputzen“, „Tischesäuberung“, „Schulverschönerung“ -, und zu schwierigen Fächern wie Mathematik wurde alternativer Nachhilfeunterricht organisiert. Einige wenige nahmen bei ihren LehrerInnen regulären Unterricht. Schulrektor Rohde übermittelte den SchülerInnen eine Einladung von Hanna -Renate Laurien an den SchülerInnensprecher und den LandesschülerInnensprecher, woraufhin der ursprüngliche Plan der VV, auch am Dienstag zu streiken, wieder fallengelassen wurde. Am Mittwoch soll neu entschieden werden - „je nach Ausgang des Gesprächs“, wie ein Schüler sagte. Heute nachmittag wollen sie sich, zusammen mit anderen SV -VertreterInnen aller Schöneberger Oberschulen, zu einem Gespräch treffen.

Für kommenden Freitag haben SchülerInnen und StudentInnen einen gemeinsamen, Berlin-weiten Aktionstag geplant. Am Sonnabend soll eine große Demonstration gegen die Bildungspolitik des Senats stattfinden.

Mehrere hundert Schüler haben bereits gestern gegen die Bildungspolitik demonstriert. Nach Angaben der Polizei beteiligten sich rund 500 Schüler an dem friedlichen Protestmarsch, der vom Adenauerplatz in der Innenstadt zum Amtssitz der Schulsenatorin in der Bredtschneiderstraße in Charlottenburg führte. Nach der Abschlußkundgebung zog ein Großteil der Demonstranten zum SFB in die Masurenallee, wo eine Schülerdelegation zu einem Gespräch mit einem Hörfunk -Redakteur empfangen wurde.

gebo/th