Alles Lüge-betr.: "Bonner Libyen-Dementis im Treibsand", taz vom 16.1.89

betr.: „Bonner Libyen-Dementis im Treibsand“,

taz vom 16.1.89

„Demokratie“, schrieb in der 'Zeit‘ Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt, „ist nur möglich, wenn wir unseren Repräsentanten in Parlamenten und Regierung glauben können. Sie dürfen weder lügen noch täuschen.“ Hier hat Schmidt recht. Inzwischen hat eine repräsentative „infra-test„-Umfrage ergeben, was Sache ist: 81 Prozent der BürgerInnen der Bundesrepbulik Deutschland glauben PolitikerInnen nicht mehr, 72 Prozent sind sogar überzeugt, daß Politiker lügen.

Nun wird das Vertrauen weiter abnehmen. Es mag sehr mühsam sein, eindeutige Beweise dafür zu finden, daß in der chemischen Fabrik im libyschen Rabta Giftgas produziert wird und die deutschen Firmen auch davon wußten, als sie Technik und Material lieferten, doch einen sicheren Schutzwall bedeutet dies für eine bloßgestellte, blamierte Bundesregierung nicht. Es waren einmal mehr die JournalistInnen, die in den letzten Tagen mehr über die Affäre herausgefunden haben als alle amtlichen ErmittlerInnen vorher. Und dies ist besonders verdächtig.

Nun sind wir den „Morast von Affären und Machenschaften“ schon gewöhnt, die politische Kultur hat einen Tiefstand erreicht, und uns „NormalbürgerInnen“ hat es eigentlich nicht bis ins Mark erschüttert, aus so berufenem Munde wie dem des Kanzlers zu erfahren, daß das Fehlen „gerichtsverwertbaren“ Materials bisher daran schuld gewesen sei, daß man nichts dagegen unternehmen könne.

Wie lange sind wir noch den unglaublichen Fehlern und Versäumnissen der seitherigen Macht-Inhaber ausgesetzt? Wie lange müssen wir noch unter der Armseligkeit der kläglichsten Regierung und Kanzlerschaft seit Bestehen eines deutschen Staatsverbandes leiden. Nichts als Sprechblasen und Lippenbekenntnisse aus dem Mund derer, die zu keinem Zeitpunkt auch nur eine Sekunde daran dachten, die Wahrheit zu sagen. (...)

Karl Kirchner, Würzburg