Deichgrafs Rechenschaftsbericht

■ Der Deichverband informiert zum 89er Grundbesitzabgaben-Bescheid: Bremens Deiche sind zu niedrig / 600.000 Kubikmeter Schmutzwasser für Bremens Umwelt

Der Taxi-Fahrer brummt zur Fahrtziel-Angabe: „Das sind doch die, die immer so viel Geld von einem wollen.“ Es muß sich um einen grundbesitzenden Taxi-Fahrer handeln. Denn wir fahren keineswegs zum Finanzamt, sondern zum Bremischen Deichverband. Der residiert zwar im 1985 für 10 Millionen Mark gebauten Deichschloß am Lehester Deich, wo es aussieht, als ernährten sich die Anwohner bloß von Krabben und Spiegelei, und was dafür spricht, daß der Verband über gewissse Finanzmittel verfügt. Der Deichverband aber bestreitet seinen 8 Millionen Mark Jahreshaushalt lediglich aus den Beiträgen von 85.000 Steuerzahlern, die Grund besitzen im 15.000 Hektar großen Verbandsgebiet zwischen Weser, Lesum und Wümme. Solche Grundbesitzer zahlen neben Grundsteuer und Müllabfuhr auch eine rechtmäßige Deichabgabe von 1,5 Promill des steuerlichen Grundstückwerts. „Das ist billiger als eine Haftpflichtversicherung“, sagt Deichhauptmann Gerold Janssen. Und hat in etwa dieselbe Funktion. Schutz von Haus, Hof und Schrebergarten.

Seit dem '86er-Wahl-Coup des Bremer Umweltschützers Janssen hat der Deichverband nun

auch noch ein mehrheitlich naturschützendes Deichamt: 21 der auf fünf Jahre gewählten 30 Deich-Parlamentsmitglieder sind entschlossene Naturschützer. Bloß 9 gehören zur traditionellen Bauernlobby, die den Deichverband bis '86 im Erbhof-Stil besetzt hielt. Von den satzungsgemäßen Verbandsaufgaben Deichbau, Be-und Entwässerung (Natur-und Umweltschutz wurden erst '86 in die Satzung aufgenommen) hielt man sich am liebsten ans Entwässern. Trockenes Land ist gutes Land. Man kann mit schweren Maschinen viel besser draufrumfahren.

Janssens Deich-Crew aber deichschützt erstens nach dem Konzept „Mit der Natur arbeiten„ und gibt zweitens alljährlich im Januar mit dem Grundbesitzabgaben-Bescheid einen 3,5 Pfennig teuren Rechenschaftsbericht ab. Auf grauem Umwelt-Papier.

Da findet man neben 88er Deichverband-Projekten und 89er Vorhaben vor allem die zwei größten Probleme des Teams um den fahrradfahrenden Herrn im grünen Overall: die mangelnde Deichsicherheit Bremer Häfen und die Notüberläufe städtischer Kanalisation. Der Hafenkopf des Überseehafens etwa liegt im Mittel 60 Zentimeter unter der was

serrechtlich festgelegten Deich-Sollhöhe. Der Holz- und Fabrikhafen sowie Kap Horn haben ähnliche Schwachstellen. Daß bei Hochwasser die Wassermassen direkt nach Gröpelingen oder Walle schwappen, sei Behörden und Deichverband seit 1976 bekannt, werde aber stets verschwiegen. „Unruhe aber ist erforderlich, damit etwas gemacht wird“, so Janssen.

Der zweite Kummer: die Umweltzerstörung durch städtische Notüberläufe, aus denen jährlich 1 Millionen Kubikmeter Mischwassers in die umliegenden Deichverbands-Kanäle schmuddeln. Selbst nach dem jetzt verabschiedeten „Mischwasser 90„-Programm verbleiben noch 600.000 Kubikmeter in Bremens Wasser-Landschaft. Mit schilfbestandenen Klärteichen könnten Schadstoffe kostengünstig reduziert werden. Besonders dringlich sei dies am Notüberlauf Horn und neben der Mülldeponie an der verlängerten Hemmstraße.

Am 2. Februar ist zu Problem eins immerhin ein Treffen mit den zuständigen Bremer Behörden geplant. Vielleicht kennt man dort ja schon den Merksatz, den man mir für den Taxi -Fahrer mit auf den Weg gab: „Ohne Deiche kein Land, kein Leben.“

pH