IN TOLERA CHOLERA

■ Die „Chiefs of Relief“ am Sonntag im Loft

Auf eine Darstellung der Münsteraner Vorgruppe und ihres Provinz-Punks konnte man getrost verzichten; es reichte der Wortlaut des bandeigenen Aufklebers: „Who the fuck are THE SLAM“?

Daß es die Roadies für den nachfolgenden Auftritt der „Chiefs of Relief“ entscheidend zu spannend machten, meinte auch eine Rothaarige am Bühnenrand, massierte ihrem Freund die Jeans in Geschlechtsteilhöhe, ließ allerdings abrupt hoffentlich nicht meinem Blick zufolge - wieder ab. Ansonsten gab es weit und breit nichts zu beobachten - der Anteil an Besuchern fiel recht mager aus. Und das, obwohl man halbwegs „Star-Besetzung“ geboten bekommen sollte. Ein solider Mittdreißiger namens Paul Cook, ja richtig, DER Drummer DER „Sex Pistols“ steigt aufs Paukenpodest, bringt die Hiatts zum Vibrieren und läßt sich nicht von seinem bambiäugigen Kollegen und dessen munteren funky Baßläufen irritieren. Mit einer Umhängetastatur und zwei Sample -Synthezisern liefert der bullige Keyboarder, eine Art Hoss Cartwright der Rockmusik, die elektronisch-verfremdende Nuance. Es zischt durch die Luft. Die Gitarre von Ex-„Bow Wow Wow„-ler Matthew Ashman wirft sich jaulend in den brodelnden Rhythmus. So langsam kann ich mir unter der angekündigten Beschreibung „weißer Hip-Hop-Rap-Heavy-Metal -Dancefloor“ etwas vorstellen. Kompakte Grooves, rockige Drums (Cook hat nach seiner Zeit mit den Sex Pistols wirklich noch Spielen gelernt), leichtfüßige Funk -Untermalung und sechs wildgewordene Saiten, die nicht weniger fauchen als die alten 70er-Jahre Hardrock-Salven. Oder, der Aktualität halber, höre man sich von „Run DMC“ Walk this way an und lausche der geklauten „Aerosmith„ -Gitarre, um zu wissen, was gemeint ist.

Nicht weniger wild zeigt Ashman die entblößte schmächtige Hühnerbrust und glänzt mit rotzig-aggressiver Mimik und rebellischen Posen. Ashmans Mißbrauch antiker Gitarrenheuler in moderner Umhüllung ist noch nicht das ganze Konzept. Halbgeredete Texte, schlachtrufartig ausgestoßen, sind die britische Antwort auf schwarzen Rap, besonders wenn die Restband Frage-Antwort-mäßig integriert wird. Bei den Refrains jedoch driftet mir der Gesang zu sehr ins Softmelodische ab. Aber ich kam ja relativ erwartungslos und ließ das gecoverte „Word up“ von Cameo auf mich wirken. Im Gegensatz zu einigen andern Lauscheohren, die anscheinend das Runterleiern irgendwelcher Alt-Pogo-Klassiker erhofft hatten und gegen alles andere die Ohren geschlossen hielten. Das Dargebotene prallte an der „Berliner Mauer“ ab und Ashman bekam gegen Ende noch eine Dusche gratis.

In dieser Musik lauerte sicher mehr Energie, aber bei der Meute wäre selbst mir die Lust vergangen.

Connie Kolb