: Rolf Hartung bleibt weiter in Haft
Ermittlungsrichter lehnt Antrag auf Haftentlassung ab / Anklage wegen mutmaßlicher Beteiligung an Bombenanschlägen gründet auf Schriftgutachten eines umstrittenen Sachverständigen ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs
Der am 4.10. 1988 in der Düsseldorfer Kiefernstraße verhaftete Rolf Hartung bleibt weiter in U-Haft. Der zuständige Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof, von Gerlach, lehnte am Montag einen Antrag auf Haftentlassung ab.
Wie berichtet, gründet sich der „dringende Tatverdacht“ gegen Hartung, an den Bombenanschlägen auf Dornier und das Kölner Amt für Verfassungsschutz im Jahr 1986 beteiligt gewesen zu sein, allein auf ein Schriftgutachten des umstrittenen Hamburger Privatgutachters Hans Ockelmann. Ockelman will erkannt haben, daß Hartung für die handschriftlichen Ergänzungen auf einem Warnschreiben an Dornier und dem Bekennerschreiben zum Kölner Anschlag „hundertprozentig“ als „der gesuchte Schreiber zu bezeichnen ist“.
Obwohl dem BGH-Richter von Gerlach bei seiner jüngsten Entscheidung - entgegen früheren Behauptungen (die taz berichtete) - erstmals ein Gutachten der BKA -Sachverständigen Barbara Wagner vorlag, wonach es aufgrund der Schriftproben „nicht möglich“ sei, einen Urheber „mit Wahrscheinlichkeitsgraden zu identifizieren“, folgte von Gerlach erneut dem Hamburger Sachverständigen, dessen in Fachkreisen als „unseriös“ geltende Expertisen erst jüngst wieder in Stammhein im Verfahren gegen Eric Praus und Andrea Sievering als Basis für die hohen Haftstrafen dienten.
In seinem neuesten Beschluß weist von Gerlach ausdrücklich auf das Stammheimer Urteil hin, denn das OLG Stuttgart habe „die besondere Sachkunde des Sachverständigen Ockelmann anerkannt und ist seiner Beurteilung gefolgt“. So war es in der Tat, doch das OLG stellte die „besondere Sachkunde“ per Beschluß her, indem es den Antrag der Verteidigung ablehnte, den „Papst“ der deutschen Schriftsachverständigen, Prof.Michel aus Mannheim, als Gutachter hinzuzuziehen. Michel hat zusammen mit dem BKA das heute bei Gerichtsverfahren geltende schriftvergleichende wissenschaftliche Verfahren entwickelt. Wenn von Gerlach jetzt gegen Ockelmann entschieden hätte, wäre nicht nur die zentrale Figur der Anklage im Hartung-Verfahren, sondern auch eine für die Stammheimer Revisionsverfahren wichtige Vorentscheidung gefallen.
Hartungs Anwalt will beim Bundesgerichtshof Beschwerde gegen von Gerlachs Entscheidung einlegen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen