Fluggesellschaften keine „Asylpolizei“

Fluglinien müssen keine Strafe für beförderte Asylbewerber zahlen / Der Hessische Verwaltungsgerichtshof erhebt verfassungsrechtliche Bedenken gegen Leistungsbescheide des Innenministeriums  ■  Von Vera Gaserow

Berlin (taz) - Fluggesellschaften, die Ausländer ohne gültige Aufenthaltsgenehmigung oder Visum in die Bundesrepublik befördern, können vom Bundesinnenministerium dafür nicht zur Kasse gebeten werden. Mit dieser Grundsatzentscheidung hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof in einem Eilverfahren der Beschwerde von sechs Fluggesellschaften vorerst stattgegeben, die sich gegen Zahlungsbescheide des Innenministeriums gewehrt hatten.

Nach dem neuen Asylverfahrensgesetz von 1987 müssen Fluggesellschaften 2.000 Mark für jeden ohne eine Aufenthaltsgenehmigung in die Bundesrepublik eingeflogenen Ausländer zahlen. Diese als Abschreckungsmaßnahme eingeführte Geldstrafe hatte der Bund als Ersatz der öffentlichen Aufwendungen für einen Asylbewerber deklariert und den Fluggesellschaften entsprechende Leistungsbescheide ins Haus geschickt. Insgesamt sollten die Fluggesellschaften für die vergangenen zwei Jahre über drei Millionen Mark bezahlen, weil sie nach Auffassung des Innenministeriums versäumt hatten, die Ausweise von Asylbewerbern ausreichend zu kontrollieren und ihnen den Flug zu verweigern.

Gegen diese höchst umstrittene Vorschrift des Asylgesetzes haben die hessischen Oberverwaltungsrichter jetzt so „erhebliche rechtliche und tatsächliche Bedenken“ erhoben, daß sie die Zahlungsverpflichtung der Fluggesellschaften bis zu einer Entscheidung im Hauptverfahren aussetzten. Es sei zweifelhaft, so urteilten die Richter, ob die Zahlungsverpflichtungen den „verfassungsrechtlichen Anforderungen“ eines Gesetzes genügten. Darüber hinaus sahen die Kasseler Richter in dem Instrumentarium dieser Bußgelder die Gefahr, daß politisch Verfolgte damit praktisch an der Inanspruchnahme des Grundrechts auf Asyl gehindert würden und somit gegen die grundrechtliche Gewährleistung des Asylrechts verstoßen wird.

Ähnlich hatten auch die sechs beschwerdeführenden Gesellschaften, darunter auch die Lufthansa, ihren Protest gegen die Leistungsbescheide des Innenministeriums begründet. „Wir sind keine Hilfsbeamten der Behörden“, erläuterte der Sprecher der Lufthansa die grundsätzlichen Einwände. Das Flugpersonal sei jetzt schon verpflichtet, vor dem Abflug die Ausweispapiere der Passagiere auf ein Visum hin zu prüfen. Es sei jedoch ein Unding, daß dem Personal auch noch zugemutet werde, Ausweise auf ihre Echtheit zu prüfen oder sie gar während des Fluges einzusammeln.

Die Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes ist der bisher höchstinstanzliche Richterspruch zu der Problematik der umstrittenen Zahlungsverpflichtungen. Im Gegensatz zu ihren Kollegen in Kassel hatten am Montag die Richter des Kölner Verwaltungsgerichts keine verfassungsrechtlichen Bedenken dagegen geltend gemacht, daß Fluggesellschaften für die Beförderung von Asylbewerbern bestraft werden sollen. Da mit der Entscheidung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs auch die Verfassungsmäßigkeit des neuen Asylverfahrensgesetzes zur Debatte steht, ist zu erwarten, daß das Bundesinnenministerium Rechtsmittel einlegt und es zu einer Höchstinstanzlichen Entscheidung durch das Bundesverwaltungsgericht kommen wird.

Mit der umstrittenen Kontrollpflicht für Fluggesellschaften und der Visumspflicht für Ausländer beschäftigte sich am Wochenende auch eine Tagung von amnesty international und verschiedenen Flüchtlingsinitiativen im Gustav-Streesemann -Institut. Im Mittelpunkt des Kongresses, an dem rund 90 Richter, Rechtsanwälte, Vertreter von Flüchtlingsinitiativen und Mitarbeiter von Fluggesellschaften teilnahmen, stand dabei die Frage, inwieweit durch neue gesetzliche Regelungen das Asylrecht außer Kraft gesetzt wird, weil Asylsuchende schon an ihren Heimatorten an der Einreise in die Bundesrepublik gehindert werden und das Asylrecht gar nicht erst in Anspruch nehmen können.