Wie die Alten swungen

■ Glocken-Swing vor höherem Durchschnittsalter

Was für ein Unterschied ! Während am Samstag abend beim „Hot Jazz Meeting“ das Publikum unter den Mindestapplaustarifen der Musikantengewerkschaft blieb, klatschten und trampelten sich am Dienstag abend in der Glocke die Leute die Glieder wund. Und dabei war hier das Durchschnittsalter erheblich höher: viele der Zuhörer hatte die gespielten Swingtitel sicher zuerst als brandaktuelle Schellackplatte auf dem krächzenden Grammophon gehört.

Das „Glenn Miller Revival Orchestra“ des Holländers Wil Salden bemühte sich, mit fast akademischer Werktreue, den Sound und die Arrangements Millers nachzuspielen. Seine fast ausschließlich aus sehr jungen Musikern bestehenden Band spielte präzise, aber auch etwas leblos und ohne persöhnliche Noten in den Soli, die Evergreens, die jeder kennt. Dabei auch einige Titel, die nicht in Millers Repertoir vorkamen, wie Cole Porters „I get a kick out of you“ bei dem eine Sängerin die Band verstärkte.

Mit Gershwins „Rhapsody in Blue“ traute sich die Band dann zu weit aus dem sicheren Hafen des Millersounds heraus: Die Instrumentierung stimmte nicht, das Arrangement war holperig und weil gerade ein paar Wochen vorher auf der selben Bühne das Stück in seinem ganzen orchestralen Glanz gespielt wurde, war dieser Titel der Flop des Abends. Irgendetwas schien mir den ganzen Set über zu fehlen, und bei „Pennsylvania 6500“ merkte ich es dann: hier vermißte ich die Filmbilder von James Steward als Miller vor seiner Band, und auch die anderen Titel sind so oft in Spielfilmen der Nachkriegsjahre zu hören gewesen, daß, wenn sie jetzt live auf der Bühne gespielt werden, die Leinwand fehlt.

Auch die Musik der „Pasadena Roof Orchestra“ erinnerte an Filme, die orchestrale Begleitung der Stummfilme etwa. Die Gruppe um den englischen Bassisten und Susaphonspieler John Arthy spielt Titel aus den 20er und 30er Jahren und mischte dabei bekannte Titel wie Irving Berlins „Cheek to Cheek“ oder Ellingtons „Caravan“ mit obskuren Titeln aus den Ballrooms dieser Zeit. Der Sänger Duncan Galaway mit Frack, Pomade im Haar und Gigolostimme paßte genau zu diesen Songs, überhaupt waren die „Pasadenas“ viel hipper als ihre Vorgänger. Man merkte ihnen den Spaß an, mit dem sie die alten Titel abgestaubt und neu aufpoliert präsentierten. Auch die Soli klangen interessanter, individueller; Programm und Präsentation waren, wie der Kollege vom Weser-Kurier einst so schön bemerkte, „um Längen vielseitiger“.

Willy Taub