Marlene touched by Lubitsch

■ Am Donnerstag macht das Cinema eine festliche Premiere: „Sehnsucht“ mit Marlene Dietrich und Gary Cooper und nicht von Regisseur Ernst Lubitsch - aber dann wieder doch

Ein wenig schummelt der Verleiher ja, wenn er „Ernst Lubitsch's Sehnsucht“ auf die Plakate druckt: Regie hat bei dieser romantischen Komödie Frank Borzage geführt, aber Lubitsch war 1935 Produktionschef bei den Paramountstudios, und „Desire“ entstand dort unter seiner Gesamtleitung. Den „Lubitsch Touch“ spürt man dann auch bei jeder Einstellung, jeder fein vorbereiteter Pointe und jedem exquisiten Stück Garderobe an Frau Dietrichs verführerisch präsentiertem Körper.

Auch die Geschichte ist ein typisches Lubitschmärchen für „sophisticated romantics“: Die schöne, weltgewandte Schmuckdiebin Madelaine de Beaupre klaut mit einem raffiniert witzigem Trick ein Perlenhalsband für „zweieinhalb Millionen“ und läßt ihre Verführungskünste bei dem Maschineningenieur aus Detroit Tom Bradley nur deshalb spielen, weil sie das Schmuckstück wiederhaben will, daß dieser voller Unschuld in seiner Jackettasche über die Grenze getragen hat. Aber während der Reise durch ein Spanien der Luxushotels, schö

nen Landstraßen und idyllisch gelegenen Villen wird natürlich aus der berechneten eine echte Romanze, und die europäische Schummelaristokratin folgt dem naiven Amerikaner zum Happyend als Housewife nach Detroit.

„Sehnsucht“ war Marlene Dietrichs erster Film, nachdem sie sich von Joseph von Sternberg getrennt hatte. In dessen Filmen war sie immer der Vamp, mit dem es am Schluß böse endet, aber hier spielte sie eine viel heitere, positivere Figur - zwar immernoch eine durchtriebene Sünderin, die aber durch Liebe geläutert wird. Und so ist dies auch einer der wenigen Filme, in dem sie am Ende nicht nur lebendig, sondern sogar verheiratet wegkommt. Viel stärker als in ihren früheren Filmen wirkt sie auch durch ihre Energie und Intelligenz verführerrisch. Sie ist nicht nur schön, sondern auch die smarteste Person im Film, und das macht sie fast ebenso begehrenswert wie ihre Beine, Bewegungen und ihr immer ideal beleuchtetes Gesicht.

Gary Cooper ist in einer seiner wenigen komisch/romantischen Rollen genau der passende Part

ner als sehr großer, sehr attraktiver und etwas naiver Amerikaner in Europa. Die Traumfabrik spann hier ein sehr erfolgreiches Garn für die amerikanischen Massen, die zu dieser Glanzzeit Hollywoods noch zum großen Teil mehrmals in der Woche ins Kino gingen: Es konnte vom eleganten, leicht frivolen Europa träumen, aber zuletzt zeigte sich doch die Überlegenheit des netten Jungen aus Detroit. Aber der Faden ist so fein gewoben - der Witz, gute Geschmack und die filmische Orginalität von Lubitsch lassen „Sehnsucht“ auch heute noch so amüsant und clever wirken, wie vor über 50 Jahren.

Die einzige Tonaufzeichnug von Lubitsch in deutscher Sprache, aus einem Interview des Jahres 1932 ist vor dem Film zu hören und diese gesprochenen Sätze wirken viel vergangener, historischer als der Film selber. Gutgemachte Illussionen altern kaum: die elegante und schöne Marlene Dietrich in „Sehnsucht“ ist für uns wirklicher als die heute 88jährige in ihrer Pariser Wohnung.

Wilfried Hippen

Cinema 21.00 Uhr