Selbstkritik als Absichtserklärung

■ UB-Ost der SPD stimmte für Ilse Janz als künftige Landesvorsitzende / Waltemathe zieht Bewerbung zurück / UB fordert Moratorium für Concordia-Tunnel

Die neue Landesvorsitzende der SPD heißt Ilse Janz. Zwar wird der SPD-Landesparteitag erst am kommenden Samstag über die Brückner-Nachfolge entscheiden, doch seit dem Parteitag des Unterbezirks Bremen-Ost sind die Würfel gefallen. 135 Stimmen der Genossen aus dem Osten fielen auf die Bremerhavenerin, ihr Gegenkandidat Waltemathe erhielt lediglich 62 Stimmen. Anlaß für ihn, seine Kandidatur zurückzuziehen: „Wenn mein Unterbezirk sagt, er ist für Frau Janz, dann stehe ich nicht mehr zur Verfügung“, so Waltemathe gestern zur taz.

Wie stellt sich eine Kandidatin vor, die nach den Herbststürmen in Senat und Partei, dem vorzeitigen, zornigen Rücktritt von Herbert Brückner der SPD vorsitzen will? Ilse Janz löste das ganz auf ihre Art und verzichtete schlicht darauf, die innnerparteilichen Probleme direkt anzusprechen. Statt dessen ging's am Dienstag bundes- und allgemeinpolitisch zu. „Die Zerstörung der Umwelt darf nicht mehr hingenommen werden“, fand Frau Janz, und für das Abschalten der Atomkraft

werke, Stade zuerst, ist sie auch. Daß sie noch vor Jahresfrist vor einem SPD-Landesparteitag heftig für den Atomstromvertrag zwischen den ÜNH und den Stadtwerken Bremerhaven, bei denen sie auch beschäftigt ist, eingetreten war, blieb unerwähnt.

Der Katalog der Absichtserklärungen ist lang: Mit den Jusos will sie zusammenarbeiten, mit den Gewerkschaften unter anderem gegen Sonntagsarbeit kämpfen, die Partei für Frauen attraktiver machen, die Betriebsarbeit der SPD verstärken, sich an die Spitze der Bürgerproteste stellen und vor allem „raus aus den Sitzungszimmern und ran an die Köpfe und Herzen der Menschen“.

Und dann, ganz zum Schluß, kam sie doch noch „ganz kurz“ auf das Verhältnis zwischen Senat, Partei und Fraktion zu sprechen. Alle drei haben ihre eigenständige Rolle, meint sie, und hat auch ein Beispiel, wo der Senat seine Kompetenz überschritten hat. Als nämlich Bürgermeister Wedemeier gegen einen Landesparteitagsbeschluß die Stadtentwicklung de facto vom Umwelt

schutz trennte: „Das, was da gelaufen ist, mach‘ ich nicht mit, auch wenn Du es nicht gerne hörst“, sagt sie dem Bürgermeister und erntet dafür den kräftigsten Beifall während ihrer Rede. In der Fraktion, der sie auch angehört, war Frau Janz in dieser Heftigkeit am Montag vor einer Woche nicht zu vernehmen gewesen. Da hatte sie den unwesentlich korrigierten Wedemeier-Plänen zugestimmt.

Aber so genau wollte das am Dienstag abend im Bürgerhaus Vahr sowieso keine wissen. Lediglich Jusos und Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmer fragten noch mal nach, ob ihre jeweiligen Interessen bei den KandidatInnen auch gut aufgehoben seien, dann wurde abgestimmt. Zumindest bei diesem Tagesordnungspunkt spielte das Rosa-Luxemburg-Zitat, das Ilse Janz ans Ende ihrer Rede setzte, weder bei ihr, noch bei den Genossen eine Rolle: „Wir sind eine Partei der Selbstkritik.“ Gegen Concordia-Tunnel

Zuvor hatte sich der Parteitag von UmweltsenatorIn Eva -Maria

Lemke Schulte ausführlich über den Stand der Umweltpolitik in Bremen berichten lassen. Auf 20 Seiten Manuskript hatte die Senatorin auflisten lassen, welche Fortschritte Abfallwirtschaft, Luft-, Boden- und Wasserreinhaltung in Bremen machen. Die Aufmerksamkeit der Delegierten erhöhte sich erst wieder in der Debatte: Denn Umweltpolitik ist derzeit auch für die SPD vor allem Stadtentwicklungspolitik und damit die Frage, welche Straßen wo gebaut werden. Der UB beschloß mit großer Mehrheit, daß zumindest über eine Baumaßnahme, die demnächst beginnen soll, ein einjähriges Moratorium verhängt werden soll: Unter Beteiligung der Bürgerinitiativen und der Umweltverbände soll neu über die Erweiterung des Concordia-Tunnels und der Schwachhauser Heerstraße nach- und umgedacht werden. Kein neuer Beschluß: Hatte doch, wie der UB-Vorsitzende Armin Stolle sich erinnerte, Fraktionschef Claus Dittbrenner bereits im August neues Nachdenken zugesagt. Die Folge? Armin Stolle: „Wir haben nicht nachgedacht.“

hbk