Locker, kumpelhaft und überall dabei

Prozeßrelevante Fragestellungen zur Person des V-Mannes „Eberhard“ Auszüge aus 'Interim 35‘, einer Berliner Zeitschrift der Autonomen  ■ D O K U M E N T A T I O N

Was weiß er über mich, über Dich, über Deine Freunde? Paranoia überall!

Aus der Stadtspielgruppe weiß hoffentlich jede/r Bescheid, die/der mit ihm zu tun hatte.

Aus Sicht der „Schwemme“: Innerhalb von zwei Jahren hat E. circa alle zwei Wochen, meistens mittwochs, Tresen gemacht. Er war beim Plenum und vielen Feten dabei. Insgesamt dürfte er 40 Abende hinterm Tresen der „Schwemme“ verbracht haben. In seiner Freizeit bzw. an Tagen, an denen er nicht den Tresen machte, war er selten da. Was er an Kneipengesprächen mitbekommen hat, da müßt Ihr Euch selbst fragen, ob Ihr Relevantes in der Kneipe oder mit ihm direkt besprochen habt. Falls er an jedem Abend, den er in der Szene verbracht hat, ein Protokoll oder Soziogramm erstellt hat, kann mann/frau davon ausgehen, daß die Bullen eine gute Akte über Gruppenbewegungen, Psychos, Erlebnisse und über politische Einschätzungen diverser Leute besitzen; Einschätzung heißt nicht Beweismittel. Dies sollten sich alle Leute, die ihn gekannt haben, mal in Ruhe überlegen. Keine unnötige Paranoia, sondern überlegen, was er an Relevantem mitbekommen hat. Jetzt nicht anfangen, über eventuelle Zusammenhänge vonanderen Leuten und was diese gemacht haben könnten und inwieweit er das mitbekommen hat, zu spekulieren. Das geht nur die betreffenden Leute selber was an. Wir finden es auch falsch, jetzt hektisch durch die Gegend zu rennen oder die Bude leer zu räumen, denn falls da was ist, was da nicht sein sollte, so gehört es sowieso weg und nicht nur wegen Hightlights wie IWF und Eberhard.

Eine besonders wichtige Frage für diesen kommenden Prozeß ist: Hat Eberhard zu Straftaten Stellung bezogen oder dazu aufgefordert? Hat jemand was Verbotenes mit ihm geplant, gemacht oder ihn dabei beobachtet? Sowas gehört dann selbstverständlich zu Eurem Anwalt. Diese Frage ist deshalb für den Prozeß bedeutend, weil es den Bullen bisher verboten ist, nachrichtendienstlich zu arbeiten (falsche Papiere, Legende, abhören etc.), als Agent Provocateur aufzutreten oder Straftaten zu planen, durchzuführen oder davon zu wissen, ohne sie anzuzeigen (Legalitätsprinzip). Allerdings versuchen die Bullen das zu umgehen, indem sie einen übergesetzlichen Notstand konstruieren, der ihnen erlaubt, kleinere Sachen zu begehen, um glaubwürdig zu sein, sowie an relevante Sachen zu kommen.

Falls Ihr solche Infos besitzt, wäre es für die beiden im Knast sehr wichtig, wenn wir oder ihre Anwälte davon erfahren würden.

Wie war es möglich, daß Eberhard jahrelang in Gruppen war, ohne aufzufallen?

Bekannt ist allen ein lockerer, kumpelhafter Eberhard, der erstmal nicht den Eindruck erweckte, ein Einzelgänger zu sein. In den verschiedenen Gruppen entstand jeweils der Eindruck, seine Bekanntschaft mit einigen Leuten wäre intensiver, als sie es tatsächlich war. Wir haben niemanden gefunden, dessen Beziehung zu ihm so war, daß er/sie ihn als guten Freund bezeichnen würde, aber viele, die die Beziehung zu ihm als freundschaftlich bezeichnen. Bei Frauen soll's laut seinen Äußerungen an 'ner noch unverarbeiteten Liebe gelegen haben. Wir mußten uns sagen, daß man wenig von ihm mitbekommen hat, und er sich nicht auf andere einlassen „konnte“. Er ließ seine politische Motivation vage und hielt sich mit politischen Äußerungen und Meinungen zu Ereignissen zurück. Dies trifft leider auf viele andere Szenetypen und -frauen auch zu. Wenn es aber um funktionale Sachen ging, etwas zu erledigen war, konnte man sich auf ihn verlassen. Dies trifft leider, leider auf viele andere Szenetypen und -frauennicht zu.

Durch das ständige Umgehen miteinander aus funktionalen Gründen, entstand eine Vertrautheit, die nicht auf beiden Ebenen, politisch und menschlich, genügend hinterfragt wurde. Ist jemand nur „zu“ oder etwa Spitzel...?

Wir haben leider auch kein „todsicheres“ Rezept, wie man Spitzel erkennen kann, meinen aber, daß es ein paar Möglichkeiten gibt, dieses Risiko klein zu halten.

Für jemanden wie Eberhard ist eine solche schizophrene Situation - einerseits in der Szene drin zu sein und Beziehungen zu entwickeln, andererseits immer den Verrat im Kopf zu haben - nur zu ertragen, wenn sie einen Teil ihres Privatlebens der Szene gegenüber abschotten können, weil sonst ihre eigenen Widersprüche offensichtlich würden. Hiergegen gilt nur persönliche Offenheit und politische Auseinandersetzung untereinander.

Die Gruppen, in denen E. gewesen ist (WUP, Antimilitaristisches Stadtspiel, später „Schwemme“), waren von ihrer Struktur und ihrem Anspruch her offen. Sie sollten ja auch Leuten, die nicht politisch organisiert oder neu in der Stadt/Szene waren, die Möglichkeit bieten, sich einzuklinken. Diese Gruppen arbeiteten „legal“, so daß scheinbar kein Anlaß bestand, die Unverbindlichkeit untereinander in Frage zu stellen. Bei Eberhard kam hinzu, daß er über Leute, die in der „Schwemme“ mitmachten und ihn aus anderen „legalen“ Gruppen kannten, in die „Schwemme“ kam. Die Unverbindlichkeit und daß das politische Konzept, außer daß die Kohle für Knast und Prozesse verwendet wird, vage blieb, haben es E. ermöglicht, über zwei Jahre in der „Schwemme“ mitzumachen, ohne groß aufzufallen und sich in seine eigenen Widersprüche zu verwickeln. Die Einschätzung, daß Gruppen wie die „Schwemme“ nicht wichtig genug seien, damit Staatsschutz- und VS-Leute eingeschleust werden, war ein Trugschluß. Denn nicht nur die Arbeit der „legalen“ Gruppen ist Ziel der Bespitzelung, sondern diese bieten vor allem einen guten Einstieg in die Szene, um eine Legende und um Beziehungen aufzubauen und dann in festere Zusammenhänge zu kommen.