Schwedischer Waffenexport vor Gericht

Prozeß im Bofors-Waffenexport-Skandal / Rüstungsschmiede gab offiziell an, nach Jugoslawien zu liefern / Zieladresse war der Iran / Minister im Zeugenstand leugnen Verstrickung / Angeklagte belasten die Regierung / Image der Friedensnation ramponiert  ■  Aus Stockholm G.Pettersson

„Wir sind systematisch hereingelegt und irregeführt worden“, sagt Mats Hellström. Der ehemalige Vertraute der Friedensnobelpreisträgerin Alva Nyrdal, heute Landwirtschaftsminister im Kabinett Carlsson und von 1983 bis '86 für das Außenhandelsressort zuständig, spricht von ungewohnter Stelle - einem Zeugenstand. Daß er zusammen mit drei ehemaligen bzw. amtierenden Ministerkollegen verhört wird, sorgt im Gerichtssaal der Kleinstadt Karlskoga im Värmland für volle Zuschauerreihen. Schließlich geht es um ein Thema, das den Ruf Schwedens als Friedensnation arg ausgehöhlt hat: den Bofors-Waffenschmuggel-Skandal.

Seit 1984 ermittelt die schwedische Staatsanwaltschaft. Ihre Theorie: Gezielt unterlief Bofors die restriktiven schwedischen Waffenexportbestimmungen, indem fingierte Zielländer angegeben wurden. Bofors habe vor allem westeuropäische Länder als Zwischenstation mißbraucht, um von dort in verbotene Regionen wie Iran, Irak, Syrien oder DDR zu liefern. So sei das auch bei dem Geschäft mit der Bofors-Tochter Nobel-Chemie gelaufen, bei dem es um 230 Tonnen militärische Munition und Sprengwaffen im Wert von 24 Mio. Mark ging. Offiziell sei Lieferung an Jugoslawien beantragt worden, Zieladresse aber sei in Wirklichkeit der Iran gewesen. Angeklagt, die 230 Tonnen in den Iran verschoben zu haben, sind Mats Lundberg und Karl-Erik Schmitz. Lundberg fungierte bis Januar 1986 als Verkaufschef der Nobel-Chemie, bis er zum Abgang gezwungen wurde. Schmitz, der seit den siebziger Jahren gute Drähte ins Innerste von Bofors hat, nennt sich gern internationaler Geschäftsmann, andere bezeichnen ihn schlicht als Waffenhändler.

Beide berichten nun vor Gericht von stillschweigenden Tolerierungs-Übereinkommen zwischen Nobel-Chemie und höchsten Regierungsstellen. Vor allem mit dem KMI, dem Amt, das die Waffenexport-Anträge zu prüfen und zu genehmigen hat. Im Klartext: Alle unsere Geschäfte liefen mit Billigung und Wissen der Regierung, sagen Lundberg und Schmitz. Mats Hellström nennt dies eine „absurde Hypothese“. Niemals habe man in der Regierung etwas gewußt vom tatsächlichen Ablauf. „Wenn ich damals geahnt hätte, daß Iran der eigentliche Kunde ist, hätte ich natürlich nicht die Genehmigung für Jugoslawien unterschrieben“, sagt Bildungsminister Lennart Bodström, der als damaliger Außenminister das wichtigste Genehmigungspapier unterschrieb. Auch habe er keine Ahnung davon gehabt, daß Iran und Irak gerade zu diesem Zeitpunkt es geht um die Jahre ab 1981 - große Mengen Kriegsmaterial von Jugoslawien kauften.

Fakten, die - so Mats Hellström in seiner Aussage - im übrigen von einem Waffenexporteur bei Beantragung der Exportgenehmigung mitgeteilt werden müßten. Inwieweit ein Waffenexporteur die Pflicht hat, Regierungsstellen Informationen über eventuellen Weiterexport zu vermitteln, darüber gehen die Meinungen in dem Gerichtsstreit weit auseinander. Die Verteidigung jedenfalls ist ganz darauf aufgebaut, daß es eine solche Mitteilungspflicht nicht gebe. Damit will sie klar machen, daß die Waffenexporteure von einem Weiterexport nicht immer etwas gewußt haben müssen. Soviel Blauäugigkeit aber will vor allem Mats Hellström nicht durchgehen lassen. Er spricht von einer systematischen Irreführung durch die Nobel-Chemie.

Einer, der Licht ins Dunkel bringen könnte, vor allem über die Rolle des KMI und zur Frage, wieviel den Regierungsstellen nun wirklich bekannt war, steht als Zeuge nicht mehr zur Verfügung. Carl Algeron, hoher KMI-Beamter und mit den Bofors- und Nobel-Anträgen befaßt, kam auf mysteriöse Weise in der Stockholmer Untergrundbahn ums Leben.

Am Freitag werden die Schlußplädoyers im Verfahren um die 230 Tonnen Sprengmaterial erwartet. Die anderen dunklen Kapitel der Waffenexportgeschäfte der Rüstungsschmiede kommen im nächsten Jahr vor die Gerichte. Dann geht es um ferngesteuerte Luftabwehrraketen, um Feldhaubitzen. Zielorte der Lieferungen: Unter anderem Dubal und Bahrein.

Eine Rolle wird dabei immer wieder die Frage spielen, wieviel die Regierung gewußt und toleriert hat, vor allem der damalige Regierungschef Olof Palme. Karl-Erik Schmitz beispielsweise behauptet, Palme sei voll informiert gewesen über das Iran-Geschäft. Andere Versionen gehen dahin, daß Palme den größten Indien-Auftrag für Bofors vorbereitet habe. Beim Begräbnis von Indira Gandhi seien die entsprechenden Nägel mit Köpfen gemacht worden, nach dem Motto „Morgens Frieden predigen, nachmittags Waffen verkaufen“. Bewiesen sind derartige Behauptungen bis heute nicht.