UN an Vermittlungsauftrag in Afghanistan erinnert

■ UNO-Vermittler plant neuen Afghanistan-Vorstoß / Sowjetische Soldaten auf Rückzug in Kämpfe verwickelt / Bürgermeister von Kabul verteidigt sich gegen Sabotagevorwürfe sowjetischer Militärs / Nadschibullah lädt UN-Generalsekretär Perez de Cuellar nach Kabul ein

Moskau/Kabul (ap/taz) - Der Sonderbeauftragte der UN für Afghanistan, der ecuadorianische Außenminister Diego Cordovez, will es noch einmal versuchen. Nach einer Meldung aus dem pakistanischen Außenministerium vom Mittwoch will Cordovez von neuem einen Dialog der verfeindeten Parteien in Afghanistan in Gang bringen und dazu am 12. Februar in Pakistan eintreffen. Per Pendeldiplomatie will der bis dato erfolglose Vermittler in letzter Minute zur Bildung einer afghanischen Regierung auf breiter Basis beitragen.

Cordovez wird es nicht leicht haben, denn drei Wochen vor Abschluß des sowjetischen Truppenabzugs zeichnet sich ein Bruch zwischen den gemäßigten und den radikalfundamentalistischen Fraktionen der in Peshawar stationierten Sieben-Parteien-Allianz ab. Die gemäßigte Fraktion bevorzugt eine Rückkehr des afghanischen Ex-Königs Zahir Shah aus dem römischen Exil und kommt damit den Vorstellungen der sowjetischen Stellvertreter in Kabul entgegen. Der radikal-fundamentalistische Flügel setzt dagegen auf eine Übergangsregierung unter dem radikalen Fundamentalisten Ahmad Shah. Einer solchen Übergangsregierung wollen sich die drei gemäßigten Parteien verweigern, selbst wenn Shah von der „Shura“, der für den 10. Februar geplanten Versammlung des Widerstands, als Regierungschef designiert wird.

Auch der UNO-Generalsekretär Perez de Cuellar sei kürzlich in einem Brief vom afghanischen Staatschef Nadschibullah an seine Verantwortung im Zusammenhang mit dem Genfer Afghanistan-Abkommen gemahnt und nach Kabul eingeladen worden. Bei den letzten Direktgesprächen zwischen Mudschaheddin und dem sowjetischen Afghanistan-Unterhändler Woronzow appellierte dieser Anfang Januar in Islamabad wiederholt an die Vereinten Nationen, sich in die Afghanistan-Lösung nach dem Truppenabzug einzuschalten. Die Abberufung des UN-Personals aus Kabul wurde von der afghanischen Regierung entsprechend als unfreundlicher politischer Akt gewertet.

Der Abzug der letzten sowjetischen Truppen wird allen Anzeichen nach kein Spaziergang. Nördlich von Kabul hat eine sowjetische Marschkolonne ihren Rückzug über den Salang-Paß gestoppt und Kämpfe mit dem afghanischen Widerstand aufgenommen. 'Prawda‘ berichtete am Donnerstag, die Soldaten seien bereits am Dienstag südlich des Passes in Kämpfe verwickelt worden und hätten ihren Weg zum sowjetisch -afghanischen Grenzübergang Termes nicht fortsetzen können. Die sowjetische Luftwaffe habe eingreifen müssen. Wie es in Islamabad hieß, forderten diese Angriffe sowjetischer Kampfbomber und afghanischer Artillerie hunderte Opfer unter den Bewohnern der Region. Über die Salang-Straße fließen auch Lebensmittel für die etwa 2,3 Millionen Bewohner Kabuls, die seit Tagen mit akuten Versorgungsschwierigkeiten zu kämpfen haben. Der stellvertretende Oberbefehlshaber der sowjetischen Truppen in Kabul hatte diese Woche der afghanischen Regierung „verbrecherische Nachlässigkeit“ und Sabotage vorgeworfen, weil die gesamte Versorgung der Stadt von der sowjetischen Luftbrücke abhänge. Kabuls Oberbürgermeister Hakim verteidigte sich gegen diese „Privatmeinung“ und erklärte am Mittwoch, die Hauptstadt verfüge über Lebensmittel und Treibstoff für drei Monate.

Simone Lenz