Deserteursdenkmal stört Bonner Jubeljahr

Beginn der Kampagne zur Rehabilitierung von Fahnenflüchtigen / Denkmal auf dem Bonner Friedensplatz geplant / Ungeliebte Erinnerung zu „40 Jahren BRD“ und „2.000 Jahren Bonn“ / Aktion: Ersatzsoldat soll symbolisch ausgegraben und endgültig beerdigt werden  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Rupert Scholz wird das nicht gefallen: dem Wehr-Minister, der in einem Verfassungskommentar die Todesstrafe für neue Kriegszeiten in Erwägung zog, soll in der Bundeshauptstadt ein Denkmal für den unbekannten Deserteur vor die Nase gesetzt werden. Und das ausgerechnet im Jubeljahr von „40 Jahren BRD“ und „2.000 Jahren Bonn“, in dem die Veranstalter die Erinnerung an den Beginn des Zweiten Weltkriegs ohnehin am liebsten durch die Hintertür hinauskomplimentieren würden. Konflikte mit mehr als lokaler Bedeutung sind also abzusehen, nachdem die Kampagne für die Rehabilitation der Fahnenflüchtigen gestern in Bonn begann.

Zwei Meter hoch wird der Stein des Anstoßes: Nach den Vorstellungen von Friedensgruppen, Grünen und einem Teil der Sozialdemokraten soll die CDU-regierte Stadt Bonn für 88.000 Mark das Denkmal des Berliner Bildhauers Mehmet Akzoy kaufen - eine schlichte Marmorskulptur, die die menschliche Silhouette in einem steinernen Loch zerfließen läßt. „Ohne viel Symbolismus“ will der türkische Künstler „körperliche Schönheit und menschliche Würde“ ausdrücken - der Deserteur „als lebensbejahender Mensch“. Aufgestellt werden soll das Denkmal am 1.September auf dem Bonner Friedensplatz, den die Stadtverwaltung erst kürzlich mittels Tiefgarage plus Atombunker untertunnelte.

Während der Streit mit den Stadtoberen jetzt erst beginnt, hat das Begleitprogramm für die Kampagne schon eine dreijährige Konfliktgeschichte. Der Regisseur des Anachronistischen Zugs, Thomas Schmitz-Bender, will Brechts Legende vom toten Soldaten live inszenieren, und dieses Vorhaben ist seit drei Jahren beim Karlsruher Bundesverfassungsgerichts anhängig. Die symbolische Ausgrabung eines (lebenden) Ersatzsoldaten auf dem SS -Ehrenfriedhof in Bitburg wurde 1985 verboten; über die Beschwerde der Veranstalter wird dagegen demnächst entschieden. Bisher planen die Veranstalter einen Auftakt in Verdun. Anschließend soll der Soldat in Bitburg am 2.September ausgebuddelt werden und zu den Wagner-Klängen Siegfrieds Totenmarsch, aufgebahrt auf einem Kohlenschiff, über den Rhein nach Bonn schippern. Im Hofgarten soll er sein endgültiges Grab finden, um „nie wieder“ zu neuen Untaten aufzuerstehen. Zum Programm gehören weiterhin ein Theaterprojekt von Hanne Hiob und ein Buch zur Deserteursgeschichte unter Patenschaft von Heinrich Albertz und Helmut Gollwitzer.

Auseinandersetzungen um Deserteursdenkmäler sind nicht neu: Von rund 15 lokalen Initiativen in der BRD gelang es bisher nur in Bremen und Kassel, ein Denkmal oder eine Mahntafel mit offiziellen Weihen durchzusetzen. Bundesweite politische Brisanz könnte das Bonner Projekt allerdings bekommen, weil es in diesem nationalen Jubeljahr ein goldenes Kalb deutscher Geschichtsverdrängung schlachten will: die Tabuisierung der Rolle der Wehrmacht und die in Bitburg durch den Kohl-Reagan-Handschlag besiegelte Umdeutung der NS -Vernichtungsfeldzüge zu einem normalen Waffengang. Der SPD -Bundestagsabgeordnete Emmerlich fand dazu gestern klare Worte: „Wer als Soldat in der Wehrmacht war, diente objektiv dem Verbrechen.“ Das wird den Konservativen nicht schmecken.