: Der Ölscheich und das Beamtenrecht
Reiche Geschenke des Präsidenten der Vereinigten Arabischen Emirate sorgen für Ärger in Aachen / Sicherheitsbeamte wollen Rolex-Uhren nicht wieder hergeben / Richter soll die näheren Umstände des Scheich-Segens klären / Neuerliche Beweisaufnahme nötig ■ Aus Aachen Bernd Müllender
Scheich Zayed bin Sultan al-Nahayyan ist nicht irgendein Scheich. Er ist Präsident der Vereinigten Arabischen Emirate am Golf. Er ist vom sprudelnden Öl seiner Wüstenheimat so reich geworden, daß sein Vermögen wüsten Schätzungen unterliegt: Irgendwo im zweistelligen Milliardenbereich wird er taxiert, manche rechnen in Dollar. Er war maßgeblich beteiligt, als 1973 dem Westen das Öl abgedreht wurde, was die erste Ölkrise auslöste. Und: Er hat bisweilen Zahnweh.
Deshalb kommt der Scheich seit 1983 immer mal wieder in die kleine unbedeutende Stadt Aachen, tief im Okzident gelegen, um sich im dortigen Klinikum die präsidiale Mundhöhle in Ordnung bringen zu lassen. Er habe wohl ausgerechnet Aachen gewählt, bemerken Spötter, weil das riesige Klinikum allgemein als „Mekka der Hochleistungsmedizin“ gepriesen wird, weil Aachen als Stadt mit „sprudelnder Vielfalt“ wirbt und weil das Klinikum so vertrauenserweckend einer Ölraffinerie ähnelt. Der wahre Grund ist natürlich medizinischer Natur und liegt in den kieferorthopädischen Künsten des Professor H. Spiekermann begründet. 1982 wurde er zu einem Wettbewerb mit einem halben Dutzend internationaler Kollegen in die Vereinigten Emirate geladen, um dort „die Dinge im Bereich des Mundes, die sehr kompliziert lagen“ (Spiekermann), zu untersuchen. Der Aachener Arzt machte schließlich das Rennen um das erfolgversprechendste Behandlungskonzept.
Nun zieht der Reichtum des Scheichs eine gewisse Spendabilität und Großzügigkeit nach sich. Es gilt das Wort von Harald Bock, dem Geschäftsführer der deutsch-arabischen Gesellschaft: „Wenn der Scheich wollte, könnte er sich ganz Aachen auf einmal kaufen.“ Das hat Zayed bisher unterlassen und statt dessen vieles verschenkt, oft Bares mit vielen Nullen.
Und damit kommen wir zum aktuellen Problem, ja sogar Rechtsstreit. Keinen Ärger gab es, wenn sämtliche Angestellte im Nobelhotel „Quellenhof“ pro Nase einen Tausendmarkschein Trinkgeld bekamen und der Portier derer sieben. Auch hat Zayeds Finanzminister, ein Kalif, alle Rechnungen stets bar und korrekt direkt aus seinem großen Koffer bezahlt - ob für die fünfstelligen Telefonkosten täg lich oder für die Renovierungs arbeiten im Hotel, wenn sich Seine Hoheit und seine Diener mit einer Falkenjagd in den Fürstensuiten vergnügt hatten.
Nein, Steine des Anstoßes sind jene 48 Rolex-Uhren, die Zayed jedem der 48 deutschen Beamten, die für seine Sicherheit sorgten, ums Handgelenk zuschnappen ließ. Die Polizeiführung hatte im April 1987 gleich interveniert und die Chronometer zum Stückpreis von 2.500 Mark wieder eingesammelt. Solchen Gaben stehe nämlich das deutsche Beamtenrecht entgegen. Nachher sehe es womöglich noch so aus, als seien deutsche Staatsdiener, auch wenn sie ersatzweise auswärtigen Staatsoberhäuptern dienen, bestechlich.
Das sahen 15 der Beschenkten ganz und gar anders. Sie klagten vor dem Aachener Verwaltungsgericht mit einer Reihe nachvollziehbarer Argumente: So seien in den Jahren zuvor schon des öfteren ähnliche Uhren und auch Barschaften unter den Beamten - 1985 war sogar der damalige Polizeipräsident darunter - verteilt worden. Es gab eine ausdrückliche Genehmigung des Regierungspräsidenten, und warum solle diese jetzt nicht mehr gelten?
Gestern nun sollte das Urteil verkündet werden, aber das Gericht sah sich dazu noch außerstande. Ungeklärt ist nämlich, ob der damalige Einsatzleiter den Beamten die Uhren tatsächlich als Geschenk überließ, oder, wie die Polizeiführung heute behauptet, nur mit Hinweis auf vorläufige Verwahrung. Dazu sollen alle Beteiligten in einer neuerlichen Beweisaufnahme gehört werden. Wie der Streit auch ausgeht, er wird weitreichende Folgen haben: müssen die Beamten die Uhren zurückgeben, kommt eine Versteigerung für einen sozialen Zweck (etwa Polizeihilfswerk) in Betracht. Einen solchen Kompromiß, so argumentieren die Polizisten -Juristen, wollen ihre Klienten auf keinen Fall mitmachen; dann solle man gleich den Mut haben, die Uhren im Dutzend in die Emirate zurückzuschicken. Das aber könnte, so einer der Anwälte, schwerwiegende diplomatische und politische Folgen nach sich ziehen: Wenn der Schein nämlich erfahre, „daß man seine Geschenke derart mißachtet“, werde er sich in seiner Ehre „garantiert brüskiert“ fühlen.
Wenn die Uhren aber an den Händen der Polizisten bleiben dürfen, wird für den nächsten Scheichbesuch eine geradezu grenzenlose Bereitschaft für die lukrativen Bewacherjobs befürchtet. Aber auch das muß nicht sein. Als nämlich 1985 der Scheich jedem der 1.500 stationären Leidensgefährten im Klinikum einen Tausendmarkschein als kollegiales Schmerzensgeld überreichen lassen wollte, wurde hernach, beim nächsten Aufenthalt Seiner Hoheit in Aachen, kein erhöhter Run notleidender Simulanten auf vakante Krankenbetten festgestellt.
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