Kafu ist aufs Schwein gekommen

Neue Offensive für „alternatives“ Schweinefleisch in Lebensmittel-Kette Kafu / Gegen „schwarze Schafe“ in der Branche / Besseres Futter und keine Chemie nur in den letzten vier schweinischen Lebensmonaten  ■  Hier bitte

das DIREKT

Schwein

Bläßlich-wässerig, hormongespritzt, schwermetallhaltig und meist einfach scheußlich pflegen sie in den Kühltheken bremischer Supermärkte auf ihre Bestimmung zu warten: gekauft und aus Folie und Styropor gewickelt zu werden, um in der Pfanne unter Zischen und Spritzen Wasser zu lassen und auf kleines Format zusammenzuschmelzen - Koteletts und Schnitzel vom Schwein.

Das soll jetzt anders werden, und zwar nicht mehr nur für die kleine Schar giftbewußter KundInnen, die ihr Geld aus gutem Grund beim Bio-Metzger lassen. Wenn es nach einer Gruppe Twistringer Landwirte, einem gestandenen Viehhändler, der Bremer Werbeagentur 'mach was‘ und vor allem der Lebensmittelkette 'Kafu‘ geht, dann hält jetzt alternatives Fleischbewußtsein Einzug in die Theken, zumindest in das als „Shop“ für einige Wochen hergerichtete Eckchen der Fleischabteilungen von fünf ausgewählten Kafu-Märkten. Ein grünes Schwein soll vor allem es, verraten die Werbeunterlagen: „absolute Kaufsicherheit signalisieren“. Die KundInnen sollen wissen, welches Fleisch gleichbleibender Qualität sie kaufen: „Direkt vom Landwirt“ als neues Markenzeichen und „mehr Na

tur“ prangt auf der Banderole jedes Kunststoff -Fleischschälchens.

Richtig auf dem Lande wurde in dieser Woche das neue Produkt für die Marktlücke der verunsicherten, gesundheitsbewußten KundIn vor JournalistInnen präsentiert. Groß, rosa und neugierig standen bei Bauer Ohlendiek auf Bergen frisch aufgeschütteten Strohs die Mastschweine in den Koben; nebenan drängelten sich wie im Kreißsaal winzige ziemlich neue Ferkel unter der Rotlichtlampe an die Muttersauen. „Bisher hatte sich die intensive Schweinehaltung gelohnt, aber jetzt geht der Preis in den Keller“, legte einer der Bauern, Alois Schwarz, den Sinn des Ganzen of

fen, „der Reibach war nicht mehr so wie er sein sollte!“ Mit ganz strengen Regeln, wie die Erzeuger des „alternativen“ Fleisches betonen, soll für neues Vertrauen in Schweinisches geworben werden. Merkmale: „streßstabile Zuchtlinien“, längere Mast, streßfreier Transport, überwachte Haltung. „Unsere Schweine bekommen ausschließlich Futter auf Getreidebasis“, heißt es in den Info-Blättern für die KundIn, „chemische Futterzusätze und Leistungsfördererer werden garantiert nicht eingesetzt.“

Aber das stimmt nicht so, wie es sich lesen soll. „Das eingestallte Ferkelmaterial“, so formulieren genauer die Erzeugerre

geln für die Landwirte, dürfen „in dem Mastzeitraum ab 40 kg in keiner Form medikamentös behandelt sein.“ Also lediglich die letzten vier Monate vor der Schlachtung ist Medizin tabu; und auch nur „in der Endmast“ muß der Mäster „mindestens 60 Prozent Getreide einsetzen“. Im Vergleich mit konventioneller Schweinehaltung, die noch auf dem Weg zum Schlachthof Beruhigungsspritzen setzt und systematisch giftige Schwermetalle mitfüttert, ist solch eine Pause sicher ein gewaltiger Fortschritt. Konsequent „alternativ“ ist das aber nicht.

20 Pfennig mehr pro Kilo als der notierte Wochenpreis bekommen die Bauern für ihr Fleisch,

das sind 16-20 Mark mehr pro Schwein. „Wir haben aber auch 14-15 Mark mehr Kosten“, rechnete ein Bauer vor. Denn durch ein Drittel längere Mastzeit sind die Kosten höher und die Schlachtungen seltener.

Viel ist auch von „artgerechter Tierhaltung“ in mittelständischen Betrieben die Rede, die gegen die Massenhalter nicht konkurrieren können und deshalb die Flucht nach vorn und in die Qualität antreten. „Weniger Tiere pro Koben“ wolle man einstellen, und „keine Massentierhaltung“ betreiben. Vertraglich mit Zahlen festgelegt ist all das in den Erzeuger-Bedingungen jedoch nicht. In dem konkurrierenden Zusammenschluß der „Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtsdchaft“ (ABL), die ebenfalls demnächst mit einem Markenzeichen herauskommen wollen, sind Bestandsobergrenzen, detaillierte Fütterungsvorschriften heimischer Produktion ebenso vorgeschrieben wie Tageslicht und Streu; Wachstumsförderer und Chemie sind vom ersten Tag an verboten, Nasenklammern und Schwanzabschneiden tabu, Spaltenböden und Festbinden von Sauen auch.

Die 300 Mastschweine bei Bauer Ohlendiek stehen auf Teilspalten-Boden, die 50 Sauen mit ihren Ferkeln liegen auf Rosten über der Güllegrube. Hier und da gibt es einen Rest Teppichboden gegen den Zug von unten.

Der Bremer Bio-Metzger Andreas Raab bewertete die neuen Schweinefleisch-Marken gegenüber der taz so: „Das ist ganz sicher gutes Fleisch, Qualitätsfleisch. Aber Bio-Fleisch ist das ganz klar nicht.“ Susanne Paa