Freiraum: „Mit eigener Kraft am Ende“

■ Ein Gespräch über kleine Theater-Arbeit in Bremen: Das Freiraum-Theater kann die Gastspiele nicht mehr aus eigener Kraft subventionieren / Im Packhaus fühlen sich freie Theater-Leute nicht akzeptiert

Ist die fristlose Kündigung der Packhaus-Geschäftsführerin jenseits aller Details auch ein Beweis dafür, daß freie Theater-Arbeit mit nur 50.000 Mak Subventionen nicht geht?

Jürgen Müller-Ohtzen (JüMü): Nach unseren Erfahrungen müßte man an sich mit 50.000 Mark ganz schön was machen können.

Reinhold Schäfer (Schauspieler): Das Packhaus hatte früher einmal 500.000 Mark. Ich selbst habe im Packhaus 1976 gespielt. Als die 500.000 Mark nicht mehr flossen, da wurde die Sekretärin zur Geschäftsführerin gemacht, weil sie kein Geld hatten.

War das Packhaus mit 500.000 Mark eine Stätte für freie Theater-Arbeit?

Jümü: Nein, freies Theater nicht, es hatte ein festes Ensemble. Das Packhaus ist eine von der Stadt subvenionierte und beobachtete, in gewisser Weise auch tolerierte Institution, die nicht aus der freien Theater-Szene erwachsen ist. Das kann man auch an der

künstlerischen Konzeption ablesen. Da waren Leute wie Helen Vita im Programm, eine großartige Diva des Theaters - da sollen die angesprochen werden, die sich unterhalten wollen, die sich nicht zuviele Probleme aufhalsen wollen, Bildungsbürgertum...

..das ist aber auch ein proletarisches Bedürfnis!

Jümü: Ja. Aber das war nie die Richtung des freien Theaters. Das ist ein gefälliges Genre. Die freie Szene hatte immer starke politische Ansprüche.

Viele Kollegen, die aus der freien Theaterszene kommen, waren auch sehr unzufrieden mit der Betreuung im Packhaus, die fühlten sich ein bißchen behandelt als die, die man nicht so richtig will. Das heißt, es gibt auch eine breite Front gegen die Packhaus-Führung, wie sie war. In den letzten drei, vier Jahren ist der Anteil freien und experimentellen Theaters im Packhaus gewaltig zurückgegangen.

Das bringt ja auch weniger

Geld. Wie macht man das denn ohne 50.000 Mark?

Iris Raschke: Wir sind an dem Punkt, wo wir sagen: Wir können es nicht mehr. Wir haben durchgerechnet, daß wir für jedes Gastspiel pro Abend um 3-400 Mark Defizit machen. Ohne daß wir feste Gagen zahlen. Das müssen wir reinbuttern. Deswegen sagen wir: Mit 50.000 Mark könnten wir gute Gastspiele zeigen.

Versteh‘ ich richtig: Ihr sagt, mit den 50.000 Mark vom Packhaus würdet Ihr gutes freies Theater machen..

Raschke: Wir sagen nicht: Gebt uns die 50.000 vom Packhaus.

Aber 50.000 Mark. Das sind doch dieselben.

Jümü: Nee. Wo diese Gelder herkommt, darüber befinden wir nicht. Derzeit finanzieren wir mit der theaterpädagogischen Arbeit die Defizite im Gastspielbereich. Diese Ausbeutung, das muß aufhören. Uns würde interessieren, wenn es eine Kooperation mit andren Spielstätten in Bremen gäbe.

Gibt es einen Termin, wann das aufhört?

Raschke: NDie Planung geht bis Sommer, 20. Juni ist Schluß.

Habt ihr schon Gespräche geführt?

Schäfer: Wir haben einen Antrag auf Förderung gestellt, wie jedes Jahr.

Und der ist jedes Jahr bisher abgelehnt worden?

Jümü: Ja. Die Politiker haben natürlich gefragt: Braucht Bremen das, noch ein Theater? Wir haben gesagt, vor zwei Jahren: Wir glauben, Bremen braucht das. Das zeigen die Zuschauer, die da sind. Darum auch dieser Aufruf jetzt, mit Postkaten an den Kultursenator unsere Sache zu unterstützen. Und es wird sich zeigen, ob die Leute, die zu uns kommen, und die Presse mitziehen.

Vorschlag: Warum übernehmt ihr nicht das Modell Packhaus? Den Herrn Noelle von der Sparkasse in den Vorstand nehmen, da kommt dann auch mal die Amateurbühne des Vereins Union

1801, da wird vielleicht im Sparkassen-Rundbrief mal auf Euch hingewiesen, vielleicht noch zwei Leute aus der Kunst -Deputation in den Vorstand, die das Lotto-Geld verteilt..

Jümü: Ein Theater muß sein Profil auch darin entwickeln, Eigenständigkeit zu behalten. Wir müssen ein gutes Konzept machen, damit sich bei uns dieses experimentelle Theater, damit sich Kultur weiterentwickelt...

Das klingt ja toll, und dann kriegt Ihr auch ein Eckchen im „Kulturplan“, aber an Subventionen kommt ihr doch ohne ein bißchen Verfilzung nicht ran.

Jümü: Das scheint so zu sein. Wir versuchen, alles zu unternehmen, ob das zu ändern ist. Der Bildungsenator war eben noch nie bei uns, in zwei Jahren nicht einmal, der weiß gar nicht, was hier passiert. Auch der Herr Opper war nicht ein einmal bei uns. Es würde wahrscheinlich auch nicht reichen, wenn ich denen Freikarten schicke.

K.W.