: Drittelparität durch die Hintertür
■ Auch wissenschaftliche Mitarbeiter und die größte Hochschullehrerfraktion verpflichteten sich zur Anerkennung von drittelparitätisch gefaßten Beschlüssen / Uni-VV von Rektor begeistert
So viel Beifall wie Universitäts rektor Jürgen Timm erhielt gestern keine der zahllosen DebattenrednerInnen auf der letzten studentischen Vollversammlung dieser Woche. Am Ende einer hektischen Diskussion über die bisherigen Zusagen und Kompromißvorschläge des Rektors war Timm schließlich selbst ans Mikrofon getreten und hatte mit nuschelnder Stimme und großer Geste versprochen, was das Zeug hielt und seine Kompetenz noch gerade hergab. Strafanzeigen gegen die Besetzer wird es danach nicht geben.
In einer am Vormittag verteilten schriftlichen Stellungnahme des Rektors war diese Zusage noch an eine kollektiv-drittelparitätische Putz-und Aufräum-Aktion gebunden gewesen, für die der Rektor seine Mithilfe ausdrücklich angeboten hatte. Nachmittags ließ der Rektor diese Voraussetzung ohne viel Federlesens fallen. Studenten, die wegen des ausgedehnten Streiks die Prüfungen dieses Semesters nicht schaffen, sollen ein Semester länger Bafög bekommen. Notfalls will der Rektor den Streikenden schriftlich bescheinigen, daß in diesem Semester ein ordnungsgemäßes Studium nicht möglich war.
Heikelster Punkt in den bisherigen Verhandlungen: Welchen Charakter haben die Ergebnisse einer drittelparitätischen Kom
mission, die über die weitere Entwicklung der Bremer Universität diskutieren soll? Werden sie - wie streng juristisch vorgesehen - unverbindlich zur Kenntnis genommen oder binden sie die offiziellen professorenübermächtigen Uni -Gremien? Timm selbst hatte zwar bereits am Donnerstag zugesichert, sich persönlich an die drittelparitätischen Voten zu halten, vor einem achselzuckenden Rektor, der sein bestes getan, im Akademischen Senat aber leider gescheitert sei, waren die Studenten aber am Donnerstag noch nicht geschützt. In der gestrigen Debatte fühlten sich denn auch viele von Timm „über den Tisch gezogen“, weil sie das besetzte MZH, geräumt hätten, ohne dafür verbindliche Zusagen zu bekommen.
Nach der gestrigen VV konnten sie einigermaßen beruhigt nach Hause gehen. Über Nacht war es dem Rektor gelungen, die Fraktion der „republikanischen Hochschullehrer“, die im Akademischen Senat allein über 40 Prozent verfügt, für seinen Vorschlag zu gewinnen. Am morgen hatten auch die wissenschaftlichen Mitarbeiter sich verpflichtet, die drittelparitätischen Kommissionsergebnisse zu übernehmen. Wenn alle ihre Zusagen einhalten, wäre damit die längst abgeschaffte Drittelparität an der Bremer Universität sozusagen durch die Hintertür wieder einge
führt. Selbst als aufgeregte Studenten in die Vollversammlung stürmten und berichteten, das inzwischen geräumte MZH sei klammheimlich abgeschlossen worden, griff der Rektor beruhigend ein: Er werde sofort die Öffnung des Gebäudes anordnen, um einen eventuellen VV-Beschluß für eine sofortige Wieder-Besetzung nicht zu sabotieren.
Nur in einem einzigen Punkt blieb der Rektor unnachgiebig: Der spontanen Forderung, bei allen Berufungsverfahren müßte dem Frauenstreik-Plenum ein Vetorecht eingeräumt werden, mochte der Timm nicht unbesehen zustimmen: „Das wäre eine Konzession, die beim ersten Prozeß weggeputzt würde.“ Stattdessen will der Rektor eine paritätische Fachkommission aus Juristinnen und Studentinnen („Die bezahle ich auch“) einberufen, die alle zulässigen Möglichkeiten der Frauenförderung an der Uni ausloten soll. Für die Umsetzung ihrere Ergebnisse will Timm sich dann „mit aller Energie“ einsetzen.
Nach dreieinhalbstündiger Diskussion beschlossen noch rund 300 Anwesende, die Versammlung auf den kommenden Montag zu vertagen. Dann soll abschließend über den erreichten Kompromiß befunden werden. Das MZH bleibt einstweilen geöffnet, das GW 2 mit „neuer Stoßrichtung“ besetzt: „Das bleibt un
ser Faustpfand in den bevorstehenden Verhandlungen mit Franke.“
Insider wußten gestern. der Bildungssenator habe Timm nur noch wenige Tage eingeräumt, um für Ordnung an der Uni zu sorgen. Wenn Mitte der Woche nicht alle besetzten Gebäude geräumt
seien, werde der Senator selbst für „rechtmäßige Zustände“, also möglichrweise einen Polizeieinsatz sorgen. Heute soll Franke studentischen Besuch auf dem SPD-Landesparteitag bekommen. Wer mitbesuchen will, soll um 9.00 Uhr zum Hauptbahnhof kommen.
K.S.
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