SOWETO ISRAELS

■ Zwei Bücher über den Widerstand in den besetzten Gebieten

Rechtzeitig zum Jahrestag der Intifada sind im Dezember zwei Bücher auf den Markt gekommen, die sich mit der Erhebung in den besetzten Gebieten beschäftigen. Der Soziologe und Orientwissenschaftler Alexander Flores, Intifada Aufstand der Palästinenser, Rotbuch Verlag Berlin 88, gibt in einem sehr verständlich geschriebenen Buch einen Abriß der politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung in Gaza und Westbank seit 1967. Außerdem beleuchtet er Organisation und Ziel der intifada.

Ivesa Lübben und Käthe Jans, Kinder der Steine - Vom Aufstand der Palästinenser, rororo aktuell, Reinbek 88, beschreiben Eindrücke einer Reise in den Gazastreifen. Die Journalistinnen hielten sich im vergangenen Frühjahr mehrere Wochen in dem „Soweto Israels“ auf. Sie befragten Männer, die nach Israel zur Arbeit pendeln, bis zur Intifda täglich, seitdem nur noch, wenn der Hunger nagt. Warum er nicht mehr in Israel arbeitet, erklärt Mahmud aus dem Schati -Flüchtlingscamp so: „Wir sind ihre Sklaven. Von dem Geld, das sie an uns verdienen, kaufen sie Waffen und Gas, mit denen sie uns drohen, bloß nicht gegen die Situation zu rebellieren.“

Mit Frauen sprachen die Autorinnen über deren widersprüchliche Situation seit der Besetzung. Auf der einen Seite gebunden an traditionelle arabische Werte, verlangt der Besatzungsalltag andererseits ihre ganze Kraft und Stärke und kann keine starren Rollenzuweisungen gebrauchen. Umm Aschraf erzählt von ihrern Ängsten um ihre Kinder, die von Soldaten geschlagen werden könnten.

„Wenn ich Schüsse höre, versuche ich meine Kinder nach Hause zu bringen. Das ist normal, oder? Aber sie reißen mir immer wieder aus. Andererseits muß ich auch ihre Gefühle respektieren, wenn ich das nicht täte, würden sie nicht mehr auf mich hören. Deshalb ist es besser, wir Mütter kommen mit, um sie zu beschützen und für sie die Steine zu tragen.“ „Wir werfen Steine auf die Juden“, erzählt der elfjährige Tarik aus Gaza City. „Wir wollen in einem unabhängigen Staat leben, in einem freien, palästinensischen Staat, indem wir machen können, was wir wollen.“

Während Ivesa Lübben und Käthe Jans mit Hilfe von Gesprächen ein Bild der Wünsche, Ängste und Hoffnungen der Menschen im Gazastreifen vermitteln wollen, beschäftigt sich Alexander Flores mit Hintergrund und Zusammenhängen. Der Wissenschaftler - er lehrte drei jahre an der arabischen Universität von Birseit (Westbank) - möchte zeigen, daß die Intifada nicht plötzlich ausbrach, sondern als Aufbäumen gegen eine zwanzigjährige politische Besatzung mit all ihren wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen zu verstehen ist. „Hauptbestandteile des explosiven Gemischs, das in den Tagen nach dem achten Dezember hochging, sind ein klares Gefühl von Entrechtung bei der Masse der Bevölkerung, das Bewußtsein, nichts zu verlieren zu haben, und der Wille, sich nicht darein zu ergeben - besonders ausgeprägt bei der Jugend.“

War es den Israelis zwanzig Jahre gelungen, mit ihrer doppelten Strategie aus Inruhelassen und gleichzeitg drohen mit Repressalien die Palästinenser im Zaum zu halten, so entdeckten diese in den brutalen Übergriffen der Armee zu Beginn der Intifada eine Schwäche. „Das brach den Bann der Furcht und zerstörte den Nimbus der Überlegenheit“, schreibt Flores. Dies war die wesentliche Voraussetzung für den Kampf um einen palästinensischen Staat.

Angela Kandt