Oskar am Wochenende allein

Grünen-Politiker Willi Hoss gegen Lafontaines Forderung nach Sonntagsarbeit / Unternehmer ziehen Sonntagsruhe einer durchgängigen Produktion vor / Gewerkschafter wirft Lafontaine Zynismus vor  ■  Von Martin Kempe

Berlin (taz) - Der sozialpolitische Sprecher der Bonner Grünen-Fraktion, Willi Hoss, hat die Forderung des SPD -Politikers Oskar Lafontaine nach Freigabe der Sonntagsarbeit im Interview mit der taz heftig kritisiert. Hoss, der im Frühjahr vergangenen Jahres zum Ärger seiner gewerkschaftsorientierten Parteifreunde Lafontaines Position zur Umverteilung des Lohns zugunsten von Arbeitslosen unterstützt hatte, sieht den möglichen SPD-Kanzlerkandidaten jetzt auf dem Weg ins Unternehmerlager. Der freie Sonntag ist für Hoss ein Stück Freiheit der abhängig Beschäftigten gegenüber den Unternehmerinteressen an langen Maschinenlaufzeiten. Der Vorstoß Lafontaines, in der jüngsten Ausgabe des 'Stern‘ erneut aufgetischt, stößt allerdings nicht einmal bei den Unternehmern selbst auf Gegenliebe. Laut einer Umfrage im Auftrag der Düsseldorfer 'Wirtschaftswoche‘ sind drei von vier Unternehmern in der Bundesrepublik gegen eine generelle Einführung der Sonntagsarbeit. Nur zehn Prozent der vom Meinungsforschungsinstitut „Forsa“ befragten Manager hielt Sonntagsarbeit in ihrem eigenen Betrieb für sinnvoll. Rund 85Prozent der Unternehmer erklärten, für sie sei die Sonntagsruhe im eigenen Betrieb wichtiger als durchgängige Produktion. Fünf Prozent erklärten, sie würden lieber von Fall zu Fall entscheiden. Die meisten Befürworter der Sonntagsarbeit gab es in der Textilbranche (20Prozent), deren Unternehmerverband kürzlich einen Vorstoß zur Lockerung des Sonntagsarbeitsverbots unternommen hatte. Es folgen die Elektrotechnik (18Prozent), die Grundstoffindustrie (13Prozent) sowie der Maschinen- und Fahrzeugbau (elf Prozent).

Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Klaus Murmann, forderte unterdessen eine gleichmäßigere Verteilung der Arbeitszeit auf alle Werktage einschließlich des Samstags. Dies würde zur Abschaffung des „langen Wochenendes“ führen, das der Grüne Willi Hoss ebenfalls für verteidigenswert hält. Der erneute Vorstoß Lafontaines hat auch in der SPD-Spitze für neuen Zwist gesorgt. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Johannes Rau, wie Lafontaine stellvertretender SPD -Vorsitzender, meinte in einem Interview, Sonntagsarbeit sollte nur „in zwingenden Ausnahmefällen“ zugelassen werden. So steht es auch in dem neuen SPD-Programmentwurf, der demnächst vom Parteivorstand verabschiedet werden soll.

Eine „zynische Verdrehung der Tatsachen“ warf der stellvertretende Vorsitzende der IG Druck und Papier, Detlef Hensche, dem stellvertretenden SPD-Vorsitzenden vor. Die Beschäftigten bräuchten kein Recht auf Sonntagsarbeit, sondern das Recht, „nein“ zu sagen und in Ruhe gelassen zu werden. Siehe Interview auf Seite 5