Berliner SPD tanzt ums rot-grüne Kalb

SPD-Kandidat Momper will jetzt doch regieren / SPD-Basis und auch Sprecher der SPD-Rechten für Zusammenarbeit mit der Alternativen Liste / Schon am zweiten Tag Zehntausende gegen die „Republikaner“ auf der Straße / Diepgen will eine große Koalition  ■  Aus Berlin Brigitte Fehrle

„Kein Berliner Sozialdemokrat möchte mit dieser Berliner CDU zusammenarbeiten. Dazu haben wir zu bittere Erfahrungen gemacht.“ Mit solch seltener Klarheit hat gestern Erich Pätzold, führender Vertreter der Berliner SPD-Rechten, gegenüber der taz zu den Aussichten der Halbstadt nach der Wahl vom Sonntag Stellung bezogen. Die Linken in der Berliner SPD hatten ihren Willen schon am Wahlabend lautstark kundgetan: „Rot-Grün, Rot-Grün!“ skandierten sie immer wieder, wenn Spitzenkandidat Walter Momper reden wollte.

SPD und AL hatten am Sonntag mit 37,3 beziehungsweise 11,8 Prozent der Wählerstimmen 55 und 16 Sitze des Abgeordnetenhauses erreicht. Die CDU, die ihren Koalitionspartner FDP unter der Fünf-Prozent-Hürde verlor, rutschte auf 37,8 Prozent, ebenfalls 55 Sitze ab. Die rechtsradikalen „Republikaner“ zogen bei 7,5 Prozent mit 11 Abgeordneten ein ins Hohe Haus.

Nach einem Tag hektischer Diskussionen zeichnete sich dann gestern abend ab: Die Berliner SPD will regieren. Wenn es nach der Basis geht: mit der Alternativen Liste. Walter Momper beanspruchte gestern denn auch den Stuhl des Regierenden Bürgermeisters: Der eigentliche „Sieger“ der Wahl vom Sonntag, so Momper, müsse jetzt die Führung in der Stadt übernehmen. Seine vorschnelle Absage an die AL noch am Abend der Wahl wird der Kandidat Momper zurücknehmen müssen. „Nicht regierungsfähig“, so hatte er die Alternativen abqualifiziert und drei Essentials herausgestellt: Die AL müsse die Rechtseinheit Berlins mit dem Bund akzeptieren, genauso die Präsenz der Alliierten in der Stadt, und außerdem müsse die Partei ihr Verhältnis zur Gewalt klären. Alles Quatsch, meinte darauf gestern die Alternative Liste. Mompers Essentials seien vorgeschobene Gründe, um nicht in konkrete Verhandlungen eintreten zu müssen, so Birgit Arkenstette vom Parteivorstand. Die AL sei bereit, den Senat abzulösen, und zwar mit der SPD.

In der CDU leckt man sich indes die Wunden, in Berlin wie in Bonn. Diepgen, Noch-Regierender Bürgermeister, mußte gestern dem Kanzler Rede und Antwort stehen. Der machte Bonner und Berliner Themen verantwortlich für das Desaster. Vor allem in der Ausländerpolitik seien dringend „Gespräche“ erforderlich. Für eine große Koalition würde Eberhard Diepgen nun sogar auf den Posten des Regierenden Bürgermeisters verzichten. Er klebe nicht am Amt, sagte er gestern in Bonn.

Die „Republikaner“, eigentliche Sieger der Berliner Wahlen, waren gestern noch abgetaucht. Am Wahlabend versuchten Journalisten vergeblich, ihr Wahl- und Festlokal zu finden. Derweil sammelten sich zehntausend Demonstranten vor dem Schöneberger Rathaus, um gegen den Sieg der „Republikaner“ zu protestieren. Aufgebrachte BerlinerInnen wandten sich auch gestern wieder gegen die REPs. Berichte und Kommentare

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