Der Fluch des Kaziken ereilt Mainz

Vielgepriesener Schatz aus Peru, der im Römisch-Germanischen Zentralmuseum zu Mainz lagert, birgt Arsen / Sollte das Gift vor Grabräubern schützen? / RestauratorInnen fürchten Vergiftung / Drama um Grab eines Kaziken in drei Akten  ■  Aus Mainz Fabian Fauch

Im Römisch-Germanischen Zentralmuseum hält in diesen Tagen die Fastnacht Einzug - mit vielerlei Verkleidungen. Derweil lagern Masken und Schmuck ganz anderer Art in den Kammern des Museums: der Kaziken-Schatz - mehr als 1.500 Jahre alt, aus dem Grab eines Fürsten der Moche-Kultur, beigesetzt in Sipan, Peru.

Was Peru-Experten lange wußten, war im Zentralmuseum (RGZM) unbekannt: Die Mochica-Bronze birgt Arsen, wie taz -Recherchen vor Ort ergaben. „Das ist der Fluch des Kaziken!“ munkelt man im Museum. Beim Schleifen und Schaben an der von Sauerstoff und Feuchtigkeit zerfressenen Bronze entsteht feiner Arsenstaub. Die RestauratorInnen riskieren ihre Gesundheit. Und die Arbeiten stehen erst am Anfang: Bis 1992 muß ein Großteil der InstandsetzerInnen Hand an den Schatz legen. Der Arsengehalt schwankt nach bisherigen Messungen zwischen 0,1 und sechs Prozent. Eine Mitarbeiterin reagierte bereits allergisch auf die arsenhaltige Bronze und mußte zum Arzt.

Erst auf Druck einiger Lehrlinge ergriff die Museumsleitung Gegenmaßnahmen: Die Grabbeigaben werden jetzt nach und nach auf Arsen untersucht und sollen zunächst weggeschlossen bleiben; die RestauratorInnen erhielten „Arsen-Unterricht.“ RGZM-Wissenschaftler Peter Schauer, der sich mit dem Schatz befaßt, will von dessen Giftgehalt nichts wissen. „Wir haben uns erst an Kleinobjekte herangetastet“, sagt er. Die Stücke würden noch untersucht. Es handele sich vermutlich um eine Legierung namens Tumbaga.

Welche Gefahr von Arsen ausgeht? Die Giftzentrale der Mainzer Uni-Kliniken mochte darüber keine Auskunft geben. „Wir sind zu schwach besetzt“, hieß es schlicht. Und eine Stimme aus dem Hintergrund rief: „Der soll nächste Woche wieder anrufen, wenn unser Giftberater wieder da ist!“ Dr.Erhard Heinemeyer, Leiter der Berliner Giftzentrale, warnt vor voreiligen Schlüssen. Wenn man Arsen höre, denke man gleich an dessen Giftigkeit. Es gebe aber „x -verschiedene Arsenverbindungen“, und die seien unterschiedlich giftig, so Heimeyers Mitarbeiter. Arsen müsse nicht die Ursache der Reaktion der RGZM-Angestellten sein, sagt Heinemeyer selbst, doch ganz ausschließen will der Toxikologe es auch nicht. Butterbrote jedenfalls würde er keinesfalls im Arbeitsraum herumliegen lassen. Er rät skeptischen MitarbeiterInnen des Museums zu einem Bluttest. Der Giftexperte wundert sich über die Leitung des RGZM: „Das hätten die Restauratoren vorher wissen müssen, wenn sie mit einem solchen, Jahrhunderte alten Schatz umgehen. Arsen gehörte damals doch zu den gängigen Grundstoffen.“

Und noch einer wundert sich über die Unkenntnis im Zentralmuseum: Wolfgang Wurster, Südamerika-Experte und wissenschaftlicher Direktor der Kommission für allgemeine und vergleichende Archäologie. Sie ist dem Deutschen Archäologischen Institut in Bonn angeschlossen und untersteht dem Auswärtigen Amt. „Kupfer, Bronze, Arsen - das ist doch ein Dreiklang!“ erklärt Wurster. Dazu gebe es bereits Metallurgie-Studien.

Dem Zentralmuseum fehle eben der Amerikanist, der sich in Perus Kultur auskennt. Gehörte zu dieser Kultur, daß die Mochica ihrer Bronze absichtlich das Gift Arsen beimischten? Etwa um Grabräuber, „huaqueros“ genannt, an ihrer Beute zugrundegehen zu lassen? Dazu meint Wurster: „Na ja, zumindest ist es wenig wahrscheinlich, daß sie die Intention hatten, abzuschrecken.“

Der Südamerika-Experte vertritt die Ansicht, das mit dem Arsen solle man nicht überbewerten. Viel wichtiger sei, was der Schatz des Kaziken bedeute für die Erforschung der Geschichte der Neuen Welt. Nicht das Gold sei dafür maßgeblich, sondern die Information, die das Grab des Mochica-Fürsten enthielt. Es ist die bislang einzige vollständige, weil unversehrte Ruhestätte der Moche-Kultur. Es erzählt vom Leben dieses vorspanischen und vorinkaischen Indianervolkes, das kein Schriftsystem kannte. Auch kein Fremder notierte ihre Taten, Gedanken und Gewohnheiten. Die Buchstaben der Mochica waren ihre Tonfiguren, ihre fein bemalten Töpfereien, ihr Kunstgeschmeide. An der einst mächtigen Lehmpyramide von Sipan leitet Walter Alva Alva, Direktor des Brüning-Museums von Lambayeque (Peru) und Stipendiat des Deutschen Archäologischen Instituts, die Grabungen. Er leistet nach Einschätzung deutscher Experten vorbildliche Arbeit zusammen mit den peruanischen Handwerkern. Sieben Ruhestätten vermutet Alva Alva in der Erde von Sipan. Anhand seiner Funde werden Archäologen und Anthropologen Rituale und Religion der Mochica erhellen können - und doch immer wieder auf Rätsel und Ärger stoßen. Bisher schon hat das Drama des Kaziken drei Akte. Der erste spielte vor mehr als 1.500 Jahren. Der „cacique“ (Häuptling, Fürst) eines Mochica-Stammes starb mit schätzungsweise 30 Jahren. Zwei junge Frauen, drei Männer und ein Hund mußten mit ihm ihr Leben lassen. Sie lagen begraben neben ihrem Herren. Einem der Männer schlugen die Mochica die Füße ab: Er sollte nicht von seinem Posten fliehen können. Den zweiten Akt schreiben moderne „huaqueros“ im Februar 1987. Die Polizei stieß auf Beute der Grabräuber und rief Alva Alva herbei. Die Spur führte nach Sipan. Alva Alva entdeckte die Ruhestätte. Doch es kam zu einer Schießerei: Ein „huaquero“ wurde tödlich getroffen. Alva Alva forderte Polizeischutz an. Brüder des Erschossenen schworen Rache, fluchten und drohten mit Mord.

Der Ort des dritten Akts ist Mainz, die Handlung ist bekannt. Man könnte sie mit „Arsen und Fürstenhäubchen“ überschreiben.