Diepgens letzte Karte

■ Das CDU-Tolerierungsangebot an die SPD / Kein kommunales Wahlrecht für Ausländer Jetzige Polizeistärke muß erhalten bleiben / Diepgen: „Keine Sorgen über die Zukunft“

„Ich werde niemandem ein Alibi geben, sein Wort zu brechen.“ Der CDU-Landesvorsitzende und Noch-Regierende Bürgermeister Eberhard Diepgen will es Walter Momper schwer machen. Die CDU wird gegen alle parteiinternen Widerstände versuchen, eine Zusammenarbeit mit den Sozialdemokraten durchzusetzen. Rot-Grün verhindern, heißt die christdemokratische Parole fast um jeden Preis. Der Regierende jedenfalls hat sein Opfer bereits angeboten. Er klebe nicht am Amt, erklärte er gestern. Seine Partei sei selbst zu einer Duldung eines SPD -Minderheitensenats bereit, gab er indirekt zu verstehen. Diepgen sprach mit gebrochenem Siegerhabitus. Die jahrelang einstudierten Posen passen nicht zu einem Verlierer, und so rettet er sich mit Arroganz. Kaum eine der zahlreichen Fragen der Journalisten ließ er ohne Kommentar durchgehen. Daran gewohnt, Erfolgsmeldungen bekannt zu geben, konnte er gestern nachmittag nur Forderungen verlesen. Mit lupenreinen CDU-Positionen will Diepgen in die Verhandlungen mit Walter Momper gehen. An erster Stelle nennt er das Bekenntnis zur Einheit der Stadt, die Aufrechterhaltung des Status und die Anbindung an den Bund. Klare Positionen will Diepgen auch in Fragen der Ausländer- und Asylpolitik. Berlin dürfe keine offene Stadt werden, sagte er. Das Wahlrecht für Ausländer, wie jetzt in Hamburg praktiziert, will die CDU nicht. In der Asylpolitik der CDU ist ein klarer Rechtsruck zu erwarten. Diepgens Verhandlungsgrundlage mit der SPD lautet: strikte Anwendung der Asylrechtsbestimmungen und langfristig die europaweite Harmonisierung des Asylrechts. Außerdem liegt der CDU die Polizei am Herzen. Die „Stärke und Ausrüstung“ müsse erhalten bleiben, wegen des inneren Friedens. Die bereits eingeleitete Umorganisation hin zu mehr „Grün“ auf den Straßen will die CDU fortgesetzt sehen. Schule und Wissenschaft dürfe nicht an Ideologie, sondern ausschließlich an Qualität und Bedarf orientiert sein. Die Berliner Linie in der Sozialpolitik müsse erhalten bleiben. Einziger Punkt, bei dem zwischen CDU und SPD Einigkeit herrschen könnte: 30.000 Wohnungen will die CDU in den nächsten vier Jahren bauen. Bei der SPD sind's 7.500 pro Jahr. Über mögliche Kompromißlinien wollte Diepgen gestern nicht reden. Auch darüber, wie nun genau eine Zusammenarbeit zwischen Christdemokraten und Sozialdemokraten aussehen könnte, spekulierte der Regierende Bürgermeister nicht. Große Koalition oder „große Duldung“, die Fragen blieben unbeantwortet. Ob er sich als Mitglied einer Regierung Momper vorstellen könne, wann er mit Neuwahlen rechne, ob er wieder als Spitzenkandidat zur Verfügung stehe, Diepgen wollte nichts sagen. In jedem Fall müsse die Zusammenarbeit mit der SPD eine feste Form der Kooperation sein, eine Duldung von Fall zu Fall schloß Diepgen aus.

Diepgen will alles daran setzen, daß Berlin nicht „auf die schiefe Bahn“ kommt, wie er die rot-grüne Koalition betitelt. Ein wahres Horrorszenario malte er gestern: Sofort würden Firmen abwandern, er sah Berlin schon entvölkert. Eine Aufkündigung des Stromverbundes mit Westdeutschland, den die AL auf jeden Fall fordern wird, gefährdet für Diepgen die Einheit mit dem Bund und macht Berlin zur Insel. Selbstkritik an der Politik der letzten Jahre ließ Diepgen vermissen. Er ist nach wie vor der Meinung, das Konzept, Berlin als eine moderne Großstadt zu verkaufen, sei nicht gescheitert. Den Wahlerfolg der „Republikaner“ lastet er indirekt seiner Parteikollegin, der Ausländerbeauftragten Barbara John, an. Man müsse überlegen, ob es richtig gewesen sei, so viel Aufhebens von einem Wahlspot zu machen, sagte er in Anspielung auf die Strafanzeige, die Frau John gegen den Spot gestellt hatte.

Über die Zukunft der CDU macht sich Eberhard Diepgen keine Sorgen. Die Partei sei stark und kämpferisch, sagte er. Gerade in den letzten Tagen hätten viele Bürger angerufen und ihren Wunsch bekundet, Mitglied zu werden.

Brigitte Fehrle