Biowaffen-Export wird nur lasch kontrolliert

Genehmigungs- und Verbotsklauseln in verschiedenen Abkommen bleiben ohne Auswirkung auf die Praxis des Exports / Zumindest im defensiven Bereich ist die Biowaffen-Forschung in der Bundesrepublik in vollem Schwange / Zahlreiche Universitäten mit von der Partie  ■  Von Michael Fischer

Berlin (taz) - Auch die „handelspolitische Konkurrenz“ zu den USA spiele eine Rolle beim Export von Biowaffen -Substanzen - so am Dienstag der stellvertretende SPD -Fraktionsvorsitzende Penner bei dem Versuch, die lasche Kontrolle von Biowaffen-Exporten durch die Bundesregierung zu erklären. Regierungssprecher Ost hatte am Montag bestätigt, daß der Export kleiner Mengen biologischer Kampfstoffe zu sogenannten Forschungszwecken erlaubt sei und keinerlei Genehmigungspflicht unterliege.

Übersehen hat Ost dabei, daß die Bundesregierung sich nach dem Beitritt zur Biowaffen-Konvention 1983 dazu verpflichtete, gegenüber Mitgliedsstaaten „den weitestmöglichen Austausch von Ausrüstungen, Material und wissenschaftlichen und technologischen Informationen zur Verwendung bakteriologischer Agentien und von Toxinen für friedliche Zwecke zu erleichtern (Hervorhebung M.F.)“. Irak ist zwar Mitglied des Biowaffen-Abkommens, die von Ost bestätigte Lieferung biologischer Kampfstoffe durch die Firma Sigma Chemie an den Irak diente aber nicht friedlichen Zwecken. Die laut 'Spiegel‘ gelieferten Mykotoxine HT-2 und T-2 sollen wirksamer als Pest-, Cholera- oder Typhuserreger sein.

Der Export militärisch wichtiger Güter aus dem Nato -Mitgliedsland Bundesrepublik unterliegt allerdings auch der von den USA eingeführten Cocom-Liste. Beschränkt sind vor allem Ausfuhren in Nicht-Nato-Länder. Im bundesdeutschen Ausfuhrgesetz zur Außenwirtschaftsordnung werden auf der Liste für Waffen, Munition und Rüstungsmaterial biologische, chemische und radioaktive Stoffe für den Kriegsgebrauch der Genehmigungspflicht unterworfen.

Interessanterweise wird damit implizit zugegeben, daß in der Bundesrepublik biologische, chemische und radioaktive Stoffe für den Kriegsgebrauch produziert werden dürfen beziehungsweise produziert werden. Dies verstößt gegen das internationale Biowaffen-Abkommen von 1972, das ausdrücklich verbietet, „biologische Agentien, die nicht durch Vorbeugungs-, Schutz- oder sonstige friedliche Zwecke gerechtfertigt sind, (...) zu entwickeln, herzustellen, zu lagern“.

Laut Bundesregierung dient die Forschung lediglich dazu, „bei Angehörigen der Bundeswehr (...) die durch Feindeinwirkung hervorgerufenen Gesundheitsstörungen frühzeitig erkennen und besser behandeln zu können“. Tatsächlich wird aber auch in der Bundesrepublik an der heimlichen Aufrüstung in den Reagenzgläsern gearbeitet. In seinem soeben erschienenen Buch Die Unsichtbaren - Krieg mit Genen und Mikroben (Kölner Volksblatt-Verlag) dokumentiert der wissenschaftliche Mitarbeiter der Grünen in Bonn, Manuel Kiper, wo in der Bundesrepublik Biowaffen -Forschung betrieben wird. Im Auftrag des Verteidigungsministeriums forschen auf dem Sektor Wehrmedizin nicht nur das Frankfurter Battelle-Institut, die Bayerische Impfanstalt, das Benedikt-Kreutz -Rehabilitationszentrum für Herz- und Kreislaufkranke in Bad Krotzingen, das Max-Planck-Institut für Landarbeit und Landtechnik in Bad Kreuznach, das Schiffahrtsmedizinische Institut der Marine in Kiel, die Deutsche Sporthochschule Köln und das Institut für Wehrmedizin und Hygiene in Koblenz. An fünfzig weiteren Universitätsinstituten in München, Bonn, Gießen, Heidelberg, Hohenheim, Tübingen, Mainz, Kiel, Hannover, Essen, Ulm, Würzburg, Freiburg und Düsseldorf sollen Wissenschaftler für die Bundeswehr mit giftigen Stoffen hantieren. Fünf Prozent des Wehretats, so rechnet Kiper, kommen heute der Biowaffen-Forschung zugute. Zum Jahreswechsel 1987/88 liefen wenigstens 150 Forschungs und Entwicklungsprojekte der Wehrmedizin, nach Einschätzung von Kiper hatten sie allerdings alle defensiven Charakter. Die Projekte konzentrierten sich auf die Entwicklung von Schnellnachweisen für durch Biowaffen erzeugte Krankheiten und Immunisierungsverfahren.

Allerdings ist das bundesdeutsche Forschungsprogramm in die Nato-Planung integriert. In den USA wird offen zugegeben, daß die Gentechnik, die „erlaubt, maßgeschneiderte Pharmazeutika herzustellen, auch die Entwicklung maßgeschneiderter Biowaffen ermöglicht“. Der damalige Unterstaatssekretär Douglas Feith erklärte 1986, in den vorhandenen Forschungseinrichtungen könnten aus den Mengen von Biowaffen, die unter der Biowaffen-Konvention zulässig sind, innerhalb von drei oder vier Wochen Biowaffen im Großmaßstab produziert werden. Feith ergänzte: „Die Infrastruktur für den Biowaffen-Einsatz kann ohne Geheimhaltung betrieben werden, da sie identisch ist mit der für Chemiewaffen.“