Opfer der SPD-Provinz

■ Das Ende des sozialdemokratischen 'Vorwärts‘

Wenn Klose meint, es sei neben dem biederen SPD -Mitgliedermagazin und den elektronischen Medien kein Platz für den 'Vorwärts‘, hat er auf eine Weise recht, die über seine Partei viel aussagt. Die SPD ist nicht in der Lage, eine dem Anspruch nach anspruchsvolle Wochenzeitung zu tragen. Der Abgang des 'Vorwärts‘ ist insoweit ein Abgesang auf das sozialdemokratische Milieu, auf die Fiktion von der Eigenständigkeit einer sozialdemokratisch gebundenen politischen Kultur.

Die Bankrott-Erklärung der SPD vom Montag gilt also nur vordergründig dem Zuschußunternehmen 'Vorwärts‘. In Wirklichkeit wird damit der Versuch zu Grabe getragen, sozialdemokratische Provinzialität mit dem Anspruch auf politisch-kulturelle Offenheit auf marktfähige Weise zu versöhnen. Daß der 'Vorwärts‘ nicht schon viel früher eingegangen ist, hängt mit dem Versuch zusammen, sich aus den Fesseln des Verlautbarungs-Journalismus, aus dem miefigen Milieu sozialdemokratischer Kreisverbandskassierer mehr schlecht als recht zu befreien. Dies hat zwar geringfügige Auflagensteigerungen gebracht. Aber leben konnte die Zeitung davon nicht.

Deshalb ist es auch konsequent, wenn der Vorstand das Ansinnen der Belegschaft auf Übernahme der Zeitung gleich mit abgebügelt hat: auch ein selbstverwaltetes sozialdemokratisches Parteiblatt - so sympathisch es aus der Sicht gerade dieser Zeitung auch sein mag - wird am Milieu einer Partei scheitern, das immer noch kein positives Verhältnis zu offener Auseinandersetzung, politischer Neugier und intellektueller Kreativität gefunden hat. All das haben die 'Vorwärts'-MacherInnen nicht zu verantworten. Sie sind die Opfer des zähen Beharrungsvermögens der sozialdemokratischen Provinz.

Martin Kempe