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Wetterleuchten im Druck-Bereich

Schlichtungsrunde ohne Ergebnis / IG Druck und Papier verlangt tariflich abgesichertes freies Wochenende Tarifkonflikt dreht sich auch um Maschinenbesetzung / Ende der Friedenspflicht umstritten  ■  Von Martin Kempe

Berlin (taz) -Als Heinrich Richter, Präsident des Bundessozialgerichts in Kassel und Schlichter im laufenden Tarifkonflikt in der Druckindustrie, gestern nachmittag im Düsseldorfer Interconti vor die Tür des Verhandlungsraums trat, konnte er nur konstatieren, was alle erwartet hatten: die Fronten zwischen den Tarifparteien bleiben unverändert hart. In der Druckbranche wetterleuchtet es, nachdem in drei Gesprächsrunden keine Annäherung zustandekam und die Arbeitgeber vor zwei Wochen das Scheitern der Verhandlungen erklärten. Die Verschärfung des Klimas zwischen der IG Druck und Papier (Drupa) und dem Bundesverband Druck kommt für beide Parteien nicht ganz überraschend, obwohl es diesmal weder um Löhne noch um Arbeitszeitverkürzung geht. Zur Debatte steht in diesem Jahr vor allem ein anderes innenpolitisches Reizthema: das freie Wochenende.

Die Industriegewerkschaft fordert für den größten Teil der über 165.000 Beschäftigten der Druckindustrie das per Tarifvereinbarung abgesicherte freie Wochenende, also sowohl Samstag als auch Sonntag. Nur bei Tageszeitungen soll in Zukunft Wochenendarbeit erlaubt sein. Für alle anderen Medien gibt es nach Meinung der Gewerkschaft keine zwingenden Gründe dafür, die Produktion auf das Wochenende auszudehnen. Außerdem fordert die Drupa eine Begrenzung der Überstunden auf 25 pro Quartal, den finanziellen Ausgleich für die Verluste, die die im Druckbereich besonders zahlreichen Schichtarbeiter aufgrund der Steuerreform hinnehmen mußten, schließlich verlangt sie noch einen besseren Gesundheitsschutz und Sicherung der Teilzeitarbeitskräfte. Darüber hinaus will sie die Wiederinkraftsetzung der Bestimmungen durchsetzen, in denen die Maschinenbesetzung geregelt wird. Diese Bestimmungen wurden, auch das ein Novum in der Tarifgeschichte der Druckbranche, nicht von der Gewerkschaft, sondern von den Arbeitgebern gekündigt. Sie fühlen sich offenbar in der Offensive und wollen freie Hand haben, an den Druckmaschinen beschäftigte Fachkräfte entweder gar nicht oder durch un und angelernte Kräfte zu ersetzen.

Vor allem bei der Wochenendarbeit und bei den Bestimmungen zur Maschinenbesetzung stehen sich die Fronten unversöhnlich gegenüber. Und nachdem die Arbeitgeber Anfang Januar die Verhandlungen platzen ließen, die Gewerkschaften sich über die „Provokation“ der Druckunternehmer erregten, kam noch ein weiterer Streit hinzu: der über das Ende der Friedenspflicht. Nach Meinung der Gewerkschaft dürfen die Drucker direkt nach dem Scheitern des Schlichtungsverfahrens Dampf machen, nach Meinung der Arbeitgeber erst einen Monat nach Ablauf des Tarifvertrages, also ab Anfang März. Die im November zwischen den Tarifparteien vereinbarte Schieds- und Schlichtungsordnung ist in diesem Punkt jedoch eindeutig und bestätigt die Auffassung der IG Druck und Papier: „Die Friedenspflicht endet einen Monat nach Ablauf eines Tarifvertrages. Sie endet früher, wenn ein Schlichtungsverfahren gescheitert ist.“

Die IG Druck und Papier will mit ihrer Forderung nach tariflich abgesichertem freien Wochenende bewußt in die innenpolitische Debatte um Sonntags- und Wochenendarbeit eingreifen, die vor allem der stellvertretende SPD -Vorsitzende Oskar Lafontaine forciert hat.

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