Irak vor Verurteilung für Giftgaseinsatz

UNO-Menschenrechtskommission will Irak nach Giftgaseinsätzen wegen „Massenexekution“ verurteilen / Hussein-Bruder neuer Botschafter in Genf / Erhöhte Sicherheitsvorkehrungen bei Kurden  ■  Aus Genf Andreas Zumach

Zum erstenmal in der 45jährigen Geschichte der UNO -Menschenrechtskommission sollen die von einem Staat in einem Krieg beziehungsweise Bürgerkrieg ergriffenen Maßnahmen als „Massenexekution“ verurteilt werden. Nach Informationen der taz steht der Irak wegen seiner Giftgaseinsätze gegen die Kurden auf der noch geheimen Liste, die der für die Kategorie „Massenexekutionen“ zuständige UNO-Sonderberichterstatter der Jahrestagung der UNO-Menschenrechtskommission vorlegen wird, die diese Woche begonnen hat. Der Bericht wird erst gegen Ende der bis zum 6.März anberaumten Konferenz veröffentlicht und behandelt.

Bislang fiel nur das Erschießen, Hängen etc. einzelner Personen oder zahlenmäßig bestimmbarer Menschengruppen, nicht aber der (bürger-)kriegsbedingte, anonyme Einsatz von Massenvernichtungsmitteln unter die Kategorie „Massenexekution“. Gemäß dieser Definition wird auch der Iran wegen der Exekution von über 1.000 Oppositionellen allein im letzten Monat in dem Bericht erwähnt. Die geplante Verurteilung des um die Verbesserung seiner internationalen Reputation bedachten Irak dürfte in den nächsten Wochen zu heftigen Kontroversen zunächst hinter verschlossenen Türen und eventuell auch im öffentlich tagenden Plenum der Menschrechtskommission führen. Einige Staaten werden die Wiederaufnahme des Irak in die unter dem Code „1503“ geführte vertrauliche Liste der Staaten mit besonders gravierenden Menschenrechtsverletzungen beantragen.

Für die Wiederaufnahme des Irak setzen sich auch als Beobachter und Zeugen zugelassene Kurden und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) ein, die jedoch kein formales Antrags-und Stimmrecht haben. Erst auf ihrer letztjährigen Tagung hatte die Kommission den Irak aus der „1503„-Liste herausgenommen. Zwei Wochen später, am 16.März, griffen Saddam Husseins Soldaten die Kurdenstadt Halabschah mit Giftgas an. Weitere Giftgaseinsätze erfolgten im Juli und nach dem Waffenstillstand mit Iran im August. Doch sämtliche Versuche, zu einer Verurteilung des Irak in dem übers Jahr tagenden Unterausschuß der Menschenrechtskommission zu gelangen, scheiterten am Einspruch der arabischen Staaten sowie der Sowjetunion und ihrer Verbündeten.

Rechtzeitig zur Tagung der Menschenrechtskommission hat Saddam Hussein Mitte Januar seinen Bruder Barazan Ibrahim al -Takriti nach Genf geschickt, der zehn Jahre lang Chef des irakischen Geheimdienstes war und künftig die unbesetzte Position des irakischen Botschafters bei der UNO bekleiden soll. Mit ihm kam Präsidentensohn Oudai Hussein, der kürzlich einen langjährigen Leibwächter seines Vaters ermordet hatte (die taz berichtete). Die Schweizer Behörden ließen ihn ohne Schwierigkeiten einreisen. Die Anwesenheit der beiden hat zu erhöhten Sicherheitsvor Fortsetzung auf Seite 2

kehrungen unter den in der Schweiz lebenden oppositionellen Kurden geführt.

Auf der Tagesordnung der Menschenrechtskommission steht in den ersten Wochen die Lage in den von Israel besetzten Gebieten, in Südafrika und Chile. Mit Spannung wird

der Bericht einer fünfköpfigen Beobachtergruppe erwartet, die auf eine nach heftigen Auseinandersetzungen während der letztjährigen Tagung erfolgte Einladung Fidel Castros hin im September 88 Kuba besucht hatte. Der Bericht, an dem derzeit noch Tag und Nacht gefeilt wird, ist jetzt für den 20.Februar in Aussicht gestellt. Es wird erwartet, daß die erneut von dem Exilkubaner Armando Valladares geführte US -Delegation sich wie im Vorjahr für eine Verurteilung Kubas einsetzen wird. Die USA dürften wegen der mit Unverständnis aufgenommenen Weigerung unter Beschuß geraten, das Mindestalter für Militärdienst von 15 auf 18 Jahre heraufzusetzen. Daran scheiterte bislang die Verab

schiedung einer internationalen Kinderrechtskonvention. Obwohl noch nicht auf der Tagesordnung vorgesehen, wird in Genf auch eine Debatte über die Menschrechtspolitik Rumäniens erwartet.