„Bumsen“ ja - zahlen nein

■ Leiter des Delmenhorster Ordnungsamts soll Schmiergelder genommen haben Kneipier beschwerte sich beim Stadtrat und steht nun wegen Beleidigung vor Gericht

Alfred Kunze, Leiter des Delmenhorster Ordnungsamts soll von den Gastwirten der Stadt Schmiergelder genommen haben. Er soll auf seinen ausgedehnten Zechtouren durch die Stadt auf Kosten der Kneipiers gegessen, geraucht, getrunken und in den Bars mit Separee auch „gebumst“ haben. Diese Anschuldigungen erhob der Delmenhorster Gastwirt Burkhard Klettke schon im Oktober 1985. Seitdem wird gegen ihn wegen Beleidigung des Amtsleiters ermittelt. Seitdem ermittelt er auch selbst mit seinen Freunden gegen Kunze. Denn nur, wenn er beweisen kann, daß er die Wahrheit über Kunze gesagt hat, geht er straffrei aus.

Schon im Oktober 1985 hatte Klettke seine Vorwürfe erhoben. Nicht öffentlich, sondern bei Kunzes Vorgesetztem, dem Stadtrat Müller-Eberstein (CDU). Der setzte die Beleidigungsklage gegen Klettke in Gang. Ob er sich auch um die Vorwürfe gegen Kunze kümmerte, darf bezweifelt werden: Noch heute ist Kunze Leiter des Ordnungsamtes. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde eingestellt.

Eins der Lokale, in denen Kunze und andere Beamte kostenlos verkehrten, ist das „Körb

chen“. „Wenn jemand vom Amt kommt, dann gebe ich dir ein Zeichen. Bei diesen Leuten brauchst du nicht kassieren“. Mit diesen oder ähnlichen Worten wies der Wirt des „Körbchens“, Armin Saß, seinen jungen Kellner in die Delmenhorster Verhältnisse ein. Der Kellner sagte gestern vor Gericht aus. Alfred Kunze und der Beamte Grigoleit hätten öfter im „Körbchen“ einen gehoben. Bezahlt wurde nicht.

Mehmet Bora, zu Beginn der 80er Jahre Besitzer mehrerer Kneipen in Delmenhorst, berichtete gestern, er habe 1.000 Mark in Kunzes „Sparschwein“ gesteckt, das in Form eines Schausteller-Wohnwagens bei Kunze im Büro stand. „Ich freue mich immer, wenn da was reinkommt“, habe Kunze zu ihm gesagt. Erst nach dieser Freude bekam Mehmet Bora die Schankkonzession, die er beantragt hatte. Als er dann nicht mehr zahlen wollte, gab es Streit zwischen Bora und dem Amtsleiter. Schließlich machte Bora vor der Kripo eine Aussage gegen Kunze. Von da an, so Bora gestern vor Gericht, habe es Druck gegeben. Jede Nacht habe die Polizei vor seinem Lokal gestanden und die Sperrstunde kontrolliert. Bei der geringsten Überschreitung waren

Bußgelder fällig. Außerdem sei die Steuerfahndung auf ihn angesetzt worden, die mehrmals bei ihm Haussuchung gemacht habe. Das alles habe er Kunze zu verdanken, meint Bora, auch, daß er schließlich in Konkurs ging.

Bora hat nichts mehr zu verlieren, daher sein Mut. Aber auch er hatte in den Auseinandersetzungen der letzten Jahre schon mal seine Anschuldigungen gegen Kunze widerrufen, ebenso wie mehrere andere Gastwirte. Peter Binek, Beamter und Personalratsvorsitzender der Delmenhorster Stadtverwaltung, soll sich in einer Kneipe deutlich über Kunzes „Vorteilsnahme“ ausgesprochen haben, wie Zeugen dem Gericht erzählten. Gestern bei seiner Vernehmung wollte Binek davon nichts mehr wissen.

Dabei scheint Kunze im Delmenhorster Kneipendunst ein sinkender Stern zu sein. Zusammen mit dem Journalisten Kurt Wieland und dem Polizisten Horst Karger hat Prozeßgegner Burghart Klette ihm schon vor Jahren eine Falle gebaut, in der er jetzt noch zappelt: Von einer Bardame aus dem „Inkognito“ hatte Klettke eine eidesstattliche Versicherung bekommen. Inhalt: Kunze habe mit ihr „gebumst“ und nicht bezahlt. Als er zur Zah

lung aufgefordert wurde, habe er - ganz im Widerspruch zum Namen des Lokals - seinen Dienstausweis gezogen und erklärt: „Ich bin der Kunze, ich zahle nicht“. Diese eidesstattliche Erklärung, so meint Burghard Klettke, habe Kunze allzugerne haben wollen. Er schickte einen guten Bekannten, den Automatenaufsteller Bernd Barschdorf. Das Gespräch zwischen ihm und Barschdorf nahm Klettke mit Hilfe seiner Freunde heimlich auf Tonband auf. Ein Höhepunkt des gestrigen Vormittags war die Uraufführung dieses Dokumentarhörspiels im Gerichtssaal.

Er habe gehört, ließ sich Barschdofs Stimme vernehmen, daß in vorgerückter Stunde und vielleicht auch unter Alkoholeinfluß irgendwo gesagt worden sei: „Wir mieten uns eine Truppe und hauen Klettkes Laden zusammen“. Barschdorf weiter: „Ich werde das abstreiten, daß ich das jemals gesagt habe“. Doch dazu war es schon zu spät. Sichtlich verzweifelt hockte Barschdorf gestern im Zeugenstand und ließ sich nicht zu Aussagen bewegen. Am kommenden Mittwoch wird ein Mann aussagen, der sich bisher rausgehalten hat. Der größte Gastronom der Stadt, Friedrich Trumpf.

mw