Dokumentation: "Schluß mit dieser 18 Jahren langen Tortur"

■ Heute sind die Gefangenen der Roten Armee Fraktion (RAF) in den Hungerstreik getreten / Sie fordern die Zusammenlegung aller Gefangenen aus RAF und Widerstand

„Schluß mit dieser 18 Jahre langen Tortur“

Heute sind die Gefangenen der Roten Armee Fraktion (RAF) in den Hungerstreik getreten / Sie fordern die Zusammenlegung aller Gefangenen aus RAF und Widerstand / Wir dokumentieren wir sind seit heute im hungerstreik. jetzt lassen wir nicht mehr los, die zusammenlegung muß jetzt erreicht werden.

jeder, der es wissen will, weiß, was die isolation ist, sie ist international begriffen und als folter definiert. hier haben sie inzwischen die isolation für gefangene revolutionäre, ob aus guerilla, aus dem widerstand oder ausländische genossen und genossinnen, zur regel gemacht, und sie setzen sie gegen kämpfende soziale gefangene ein international wird sie als die saubere perfide methode der feinen brd-europäer immer mehr übernommen.

hier muß sie gebrochen werden.

neun hungerstreiks haben wir gemacht, zwei gefangene sind darin gestorben, viele von uns haben gesundheitsschäden. jetzt muß schluß sein mit dieser achtzehn jahre langen tortur. das ist unser definitiver entschluß, so werden wir kämpfen.

es gibt dazu nicht mehr viel zu erklären. unsere situation und unsere forderung sind klar. uns sträubt sich inzwischen auch schon alles, von der isolation noch zu reden und davon, daß wir zusammen wollen. diese dürren wörter und ihre wiederholung sind schon ein hohn auf die wirklichkeit in den gefängnissen. im lauf des streiks wollen wir dann noch öfter etwas sagen, jetzt nur ein paar hauptsachen, worum es uns geht.

wir machen so nicht mehr weiter.

das ziel der isolation war von anfang an, die gefangenen zu zerstören, um die politik der raf zu ersticken. damit sind sie an uns gescheitert - aber wir ertragen es so auch nicht mehr. wir wollen es jetzt nicht mehr aushalten, so ist es. das ist jetzt unsere politische und unsere existentielle entscheidung. denn wenn wir uns auch gegen ihren zerstörungsautomaten behaupten konnten und wenn wir selbst in dieser lage noch entscheidendes neues für uns gewonnen haben - es gibt eine grenze, an der der permanente kampf der einzelnen und die ständig weit reduzierte lebensweise als gefangene politische gruppe für uns nicht mehr gehen. die ist jetzt da.

es ging immer nur eine begrenzte zeit, an den hungerstreikzyklen durch all die jahre ist es abzulesen. in ihnen haben wir unsere identität im kampf verteidigt und uns die kollektivität in der vereinzelung immer wieder lebendig gemacht.

bis das, was wir uns aus dem kampf in die löcher geholt hatten, wieder aufgebraucht war.

jetzt fügen wir dem nicht mehr noch einen streik nur dazu, das ist nicht mehr möglich, jetzt gibt es für uns nur noch das materielle ziel.

wir wollen jetzt die zusammenlegung, und wir wollen damit auch diese ganze lange phase abschließen - und dann wollen wir weiter. auf eine absehbare reaktion „die isolation wird aufgehoben“, also kosmetik, einzelne, differenziertere anpassungen, die dem brd-staat nur die angriffe wegen der isolation vom hals schaffen sollen und für uns nicht das grundlegende ändern, werden wir uns nicht mehr einlassen. nicht mehr nach dieser langen zeit. das soll von anfang an klar sein. wir haben immer jede kleine veränderung genutzt, waren immer zu schritten bereit. jetzt gibt es aber nichts mehr als die zusammenlegung.

zu glauben, mit einer neuen aufmachung, was sich dann vielleicht „normalvollzug“ nennt, unserem kampf zusammenzukommen den boden entziehen zu können, ist ein irrtum. das heißt dann nur eine neue runde. es gibt nichts mehr als die zusammenlegung.

es ist auch nicht mehr nur das alte - die notwendigkeit gegen die isolation und die möglichkeit einer gegenstruktur in diesen bedingungen -, in diesem brennofen bleibt nichts wie es war. die forderung hat für uns in der zeit auch eine viel weitergehende materialität bekommen. nur aus den beziehungen zueinander und deren permanenter lebendiger entwicklung sind wir durch diese zeit gekommen - und darin ist unser zusammenhang teil von uns geworden wie arme und beine.

das nimmt uns heute niemand mehr, das dreht keiner zurück. es ist eine materialität, die der kampf gegen die vernichtung geschaffen hat - und dasselbe jetzt einfach auch mal so: es ist das dialektische produkt ihrer maßnahmen. und nachdem die jetzt achtzehn jahre mit allen varianten so stehen und keine „normalität“ damit exekutiert werden konnte, müssen sie die kröte, die die zusammenlegung für sie ist, auch schlucken.

aber nicht nur subjektiv, auch bezogen auf die politische entwicklung geht es schon um mehr. in der wirklichkeit klaffen unsere situation und damit unsere möglichkeiten und was die reale situation insgesamt verlangt, damit es weitergeht, längst weit auseinander.

während wir die zusammenlegung noch nicht haben, entwickelt sich schon die frage nach einer weitergehenden perspektive für die politischen gefangenen überhaupt. es geht um uns, von allen seiten will man was von uns - aber wir können nicht zusammen reden und kaum handeln.

es läuft bei uns nur zusammen. und ohne uns läuft es dabei nicht, das sollte aus den vielen versuchen in den letzten jahren, über uns wegzubügeln, doch klar geworden sein. wir wollen jetzt an der gesamten politischen diskussion teilnehmen.

das ist die andere seite der zusammenlegung.

aus einer ganzen reihe von entwicklungen, hier und international, sind neue fragestellungen entstanden. es ist insgesamt eine neue stufe der auseinandersetzung geworden, in der überall, auf beiden seiten, die ziele, die formulierung der politik, die formierung für den kampf ein neues mal angegangen werden.

auch das ist eine widerspiegelung davon, daß hier aus beiden richtungen neu die frage nach den gefangenen hochgekommen ist. der staat bringt begnadigungen, staatskonforme gruppen wollen eine amnestie - und der revolutionäre widerstand nimmt wieder auf, daß die freiheit der politischen gefangenen erkämpft werden muß.

auch wir meinen, daß diese auseinandersetzung jetzt reif ist. das wird aber nur in einem prozeß von diskussion und praxis weitergebracht werden, in dem revolutionäre politik hier zu einem neuen realen faktor wird.

unser kampf für die zusammenlegung jetzt soll teil davon sein. aus vielen ansätzen im letzten jahr, aus der offenheit und dem willen quer durch verschiedene zusammenhänge im widerstand, halten wir eine neue einheit im revolutionären kampf für möglich. es zeichnet sich jetzt schon eine umkehrung der linken rückentwicklung seit ende der siebziger jahre ab. der kampf in der metropole kann auch neu in die internationale auseinandersetzung kommen. dann werden auch ganz neue politische möglichkeiten in der brd eröffnet sein. wir hoffen das.

die zusammenlegung ist jetzt für uns das erste. dann wollen wir die diskussion. zur gesamten situation - und für unsere freiheit. darauf spitzt es sich für uns praktisch zu.

denn die freiheit ist natürlich unser ziel. wir wollen ja nicht ein stück politischer organisation im gefängnis etablieren, eine gegenstruktur als gefangene ist wirklich nicht unser höchstes glück.

wir halten es aus allem für möglich, das dann als realistisches ziel anzupacken. soweit ist konsens unter uns. für das weitere, wie das zu konkretisieren ist, müssen wir zusammen sein. wir haben die zusammenlegung als übergang bestimmt.

wir nehmen jetzt eine neue form von kollektivem kampf. im letzten streik haben sie ein gesetz gemacht, mit dem sie uns das mittel hungerstreik nehmen wollten. das „komagesetz“.

es bedeutet, daß dem einzelnen im koma in einer langgestreckten medizinisch-technischen manipulation in der intensivstation der wille und die entscheidungsfähigkeit, den kampf weiterzuführen, genommen werden soll. es bedeutet weiter für die auseinandersetzung insgesamt, daß sie die zuspitzung und entscheidung auf einen engen zeitraum bringen wollen, praktisch auf einen punkt, den, wenn nach zwei, drei monaten viele von uns gleichzeitig auf der kippe sind. es sterben dann vielleicht mehrere, aber dann in einer kurzen, frontalen konfrontation - und die „tragen“ sie, wie sie letztes mal gesagt haben, und dann, stellen sie sich vor, ist schluß.

und das würde auch bedeuten, daß das mittel des kampfes politisch sich gegen uns dreht. denn in dieser kulmination für alle zum selben zeitpunkt käme die frage nach sinn und ziel auf uns zurück. wenn viele tot sind, wie wollen die anderen dann zusammen sein.

wir werden ihnen das umdrehen und einen langgezogenen kampf führen. jeder von uns ist das kollektiv.

wir fangen alle zusammen an, nach zwei wochen gehen wir in eine kette über. bis auf zwei unterbrechen alle, nach wieder zwei wochen kommen die nächsten zwei wieder dazu, nach den nächsten zwei wochen wieder zwei, und weiter.

wir lassen jetzt nicht mehr los, bis wir die zusammenlegung haben.

wir fordern:

zusammenlegung aller gefangenen aus guerilla und widerstand in ein oder zwei große gruppen, in die neue gefangene integriert werden, mit zugang zu den gemeinschaftshöfen. zusammenlegung aller gefangenen, die dafür kämpfen.

freilassung der gefangenen, deren wiederherstellung nach krankheit, verletzung oder folter durch isolation unter gefängnisbedingungen ausgeschlossen ist.

freilassung von günter sonnenberg, claudia wannersdorfer, bernd rössner, angelika goder.

freie medizinische versorgung ohne staatschutzkontrolle für alle gefangenen.

freie politische information und kommunikation der gefangenen mit allen gesellschaftlichen gruppen.

für die gefangenen aus der raf helmut pohl, 1.2. 89