Vorschuß-Küsse für Doisneau

■ Heute wird im Institut Francais das Lieblingsfoto einer Kulturredakteurin eröffnet: Robert Doisneaus „Le baiser de l'hotel de ville“ / Küsse, Frühstückbrötchen, Alphabeth und das Altern von Fotos

Wenn ich wüßte, was ein gutes Foto ist, so würde ich es immer wieder machen, selbstverständlich. (Robert Doisneau, Interview aus Photopoche Nr.5)

Aaaaahh, the Doisneau. Everybody wants a Doisneau these days. (Verkäuferin der „Black&White„-Fotogalerie in Covent Garden, der ich den „Kuß“ weggekauft hab)

Es hängt über meinen Frühstücksbrötchen (und auf dieser Seite). Ein 50er Jahre Kuß vorm Hotel du ville. Hmmmm. Was für ein Kuß. Der Schal sturmdrängt aus dem Jackette, zwei Hände hängen in die Luft hinein, die andere packt das Glück an der Wolljäckchenschulter, ein Kopf zurückgebogen und Sturmwindpferdehaar drübergebeugt. Ein ungeküßter Baskenmützenherr guckt zerknüttert aus der Existenzialistenbrille, ein Frauenkopf guckt skeptisch. Frau Höfer, machen Sie eine Bildbeschreibung.

Ich liebe dieses Foto. In Berlin habe ich es zuerst gesehen. Da

war es zu teuer. In London wars fast zu billig für soviel Freude. Seither sitze ich bei meinen Honigbrötchen und schaue. Manchmal auch abends. Fred, Gemüsegratin, Vin rouge und Doisneau. Schon die Londoner Fotogaleristin hatte mich als „romantic“ abgeschrieben. Romantics kaufen Fotos wegen des Inhalts. FotogaleristInnen bevorzugen, glaube ich, Kunden mit feuilletonistischeren Kriterien.

Dazu kommt der Aufbau des Bildes, ich würde zum Spaß sagen, daß es einem Buchstaben aus dem Alphabeth gleichen soll. Es stimmt, daß es gut lesbar wird, sobald es eine A-, eine V-, eine L-oder eine O-Struktur gibt. (Robert Doisneau in Photopoche)

Doisneau wurde (wie Gisele Freund) 1912 in Gentilly (Val de Marne) geboren. '32 verkauft er seine erste Reportage, '39 trifft er auf Charles Rado, Gründer der „Rapho„-Agentur. Für die arbeitet er heute immer noch. '49 war er Vogue -Fotograf, '68 macht er

Bilder zur Erziehung in der UdSSR. Von seinen mit Kodak und Niepce-Preis verzierten Fotos kenne ich bloß den „Kuß“ und den „Musiker im Regen“. Den mit Schirm und Cello (?). Das reicht völlig. Den Rest zeigen sie einem ab Freitag, 20 Uhr, im Institut Francais. Eine Ausstellung, auf die ich mich freue, seit Doisneaus Kuß als Einladungskarte auf dem Redaktionstisch charmeurt.

Und schließlich gibt es dieses geheimnisvolle Zeug, das man zufällig hineingefügt hat und das ich vorher als Charme bezeichnet habe. Diese Art Duft, der viel später emportaucht. (...) wie schön ist das eingeteilt, das ist ein Bild, das gut altert, das immer besser altern wird, es hat einen Charme, den man nicht analysieren kann. Das nenne ich ein gutes Photo. (Robert Doisneau in Photopoche)

Genau. Sitze auch schon ziemlich lange davor.

Petra Höfer

Institut Francais, Contrescarpe 19, 4.-24.2.