Arbeitslosenhilfe: Es kann geklagt werden

■ Einstweilige Anordnung des Bremer Sozialgerichts: Arbeitslosenhilfe muß elternunabhängig gezahlt werden / Blüms Verordnung schützt das Arbeitsamt nicht vor der Pflicht zu zahlen / Aber Eile ist geboten, denn Gesetzesänderung ist angepeilt

Wem vom Arbeitsamt die Arbeitslosenhilfe immer noch in Abhängigkeit vom Einkommen der Eltern bewilligt wird, der kann jetzt mit großer Aussicht auf Erfolg vor dem Sozialgericht dagegen klagen. In einer einstweiligen Anordnung verpflichtete das Bremer Sozialgericht jetzt das Arbeitsamt zur Zahlung eltern-unabhäniger Arbeitslosenhilfe an einen Akademiker (Aktenzeichen S 9 H 267/88).

Im September vergangenen Jahres hatte das Bundessozialgericht in einem Grundsatzurteil festgestellt, daß die elternabhängige Zahlung der Arbeitslosenhilfe nur bei Arbeitslosen zulässig ist, die aufgrund einer nicht vorhandenen Berufsqualifikation vom Arbeitsamt in jede Hilfsarbeit vermittelt werden können. Bei allen anderen Arbeitslosen ergibt sich ein Widerspruch zwischen dem Arbeitsförderungsgesetz und dem Bürgerlichen Gesetzbuch, der das Arbeitsamt zu elternunabhäniger Zahlung der

Arbeitslosenhilfe zwingt.

Schon kurz nach Veröffentlichung des Urteils vesuchte Bundesarbeitsminister Blüm mit einer Anordnung (§ 10, Abs. 3 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung) die Arbeitsämter dennoch zur elternabhängigen Arbeitslosenhilfe-Zahlung zu verpflichten. Diese Praxis wies nun das Bremer Sozialgericht zurück. Im Urteil heißt es: „Der Minister hat sich über das vorrangige Gesetz hinweggesetzt, welches vom Bundessozialgericht insoweit verbindlich ausgelegt worden ist.“

„Wir werden jetzt wohl zahlen“, reagierte gestern der Leiter der Widerspruchsabteilung des Bremer Arbeitsamtes, Herbst, auf die Sozialgeichts-Entscheidung. Allerdings will das Arbeitsamt gegen diese einstweilige Anordnung Beschwerde vor dem Landessozialgericht einlegen. Unabhängig davon muß das Sozialgericht auch noch in der Sache eine Entscheidung treffen, die durchaus von der jetzt verhängten

einstweiligen Anordnung noch abweichen kann.

Auf gut 100 schätzt Herbst die Zahl der Widersprüche gegen elternabhängige Arbeitslosenhilfe-Bescheide beim Bremer Arbeitsamt. Daneben sind auch noch 20 bis 25 Klagen vor dem Sozialgericht anhängig. Sie alle haben die Unterschrift unter einer Erklärung verweigert, mit der das Arbeitsamt sie zur Aufnahme „jeder zumutbaren Arbeit“, auch unter

halb ihrer Qualifikation zwingen wollte. Nur unter dieser Bedingung, so die Regel, sei elternunabhängige Arbeitslosenhilfe-Zahlung möglich.

Doch mit der jüngsten Entscheidung des Bremer Sozialgerichts gerät diese Praxis ins Wanken. Mit guter Aussicht auf Erfolg könnten nun auch alle anderen Arbeitslosenhilfe-EmpfängerInnen ihr Recht auf elternunabhängige Zahlung per einstweili

ger Anordnung durchsetzen. Zwar muß das Gericht in jedem Einzelfall neu entscheiden, doch mit seinem jüngsten Urteil scheint das Sozialgericht seine Rechtsprechung festgelegt zu haben. Keine Aussicht auf Erfolg haben allein diejenigen Arbeitslosen, die über keinerlei formale Berufsqualifikation verfügen.

Gefahr droht jedoch erneut vom Bundesarbeitsminister. Der möchte nämlich noch in diesem

Jahr den Paragraphen im Arbeitsförderungsgesetz ändern, auf den sich die Kasseler Bundessozialrichter mit ihrer Grundsatzentscheidung stützten. Eine solche Änderung könnte sogar - wie in der Vergangenheit schon öfter geschehen rückwirkend angeordnet werden. Glück haben dann nur diejenigen gehabt, die ihre elternunabhängige Arbeitslosenhilfe-Zahlung bereits ins Trockene gebracht haben.

Ase