KINOPRAWDA 289

■ Neue Pläne - neue Kinos

Die Berliner Kinolandschaft ist in der letzten Zeit ordentlich in Bewegung geraten. Nach der erdbebenartigen Aufregung um „Filmpalast“, „Kurbel“ und „Cinema“ zeigt sich derzeit der optimistische Regenbogen am östlichen Berliner Kinohimmel.

Kreuzbergs ältestes Kino wird erweitert: im „Moviemento“ soll ein drittes Kino eingebaut werden. Damit entwickelt die Besitzerin Ingrid Schwibbe das traditionsreiche Einzelkino zum Kinozentrum en miniature mit ausgeprägtem Programmanspruch. Vor Jahren wurde bereits ein zweites (klitzekleines) Kino im ehemaligen Spiegelsaal installiert, vor allem, um den damals expandierenden 16mm-Bereich abdecken zu können. Dieses Moviemento existiert nun einige Jahre. Zwischenzeitlich wurde vom Hausbesitzer via pro-forma -Kündigung die Miete verdoppelt. „Obwohl wir durch ein gutes Programm wirtschaftlich nicht schlecht dastehen, zwang uns die hohe Miete zu neuen Ideen.“ Im großen Kino soll bislang der unnutzbare „Seitenflügel“ eine Zwischenwand erhalten. Die Kapazität des großen Saales wird angetastet. Die Sitzrichtung im alten Kino wird umgekehrt, ein neuer Vorführraum entsteht am Ende des jetzigen Foyers. Die Sitzzahl bleibt bei 110 Plätzen. Mit dem Quasi-Neubau ergibt sich erstmals die Möglichkeit, grundlegende technische Defizite des Kinos zu beheben. So wird der geneigte Kinobesucher demnächst auf das periodische Fahrgeräusch von der nahen Bushaltestelle während der Vorführung verzichten müssen. Eine neue Klimaanlage und ausgeprägte Schallisolierungen machen's möglich. Die marode elektrische Anlage wird vom Keller aufwärts neu gelegt; dringend notwendig, da der Betrieb die Hausleitung an den Rand der Belastbarkeit brachte. Bei jedem Rollenwechsel drohte der Zusammenbruch der Sicherungsanlage. Während der Berlinale soll der Umbau erfolgen. Das neue Kino entsteht dann unter Hinzunahme des Wintergartens (die neue Außenmauer spendiert die Hausverwaltung) zu der oben beschriebenen Brachfläche. Die Technik stammt aus dem ehemaligen Cinema. Programmatisch soll sich nicht viel ändern: Kinopremieren im Off-Format und Präsentationen interessanter kleiner Filme. Und damit hat sich Ingrid Schwibbe einen guten Ruf erworben (u.a. mit „Du mich auch“, dem Prototyp des Szenefilms im Kino um die Ecke).

Das Filmtheater in der Nachbarschaft zu etablieren, hat sich auch Georg Kloster (Kloster/Steenwert-Gruppe um Broadway, York und Odeon) für seine neuen „Passagenkinos“ vorgenommen. In der ehemaligen Hauspassage zwischen Karl -Marx-Straße und Richardstraße (Hausnummer 131) waren ja vor Jahrzehnten bereits Kino- und andere Amüsierbetriebe untergebracht. Ein alter Ballsaal stand jahrelang leer. Irgendwann warf der örtliche Denkmalspfleger sein wachsames Auge auf das Kleinod. Die bauliche Gestalt (innen und außen) mußte erhalten werden.

„Wir wollen unsere Erstaufführungspalette auf die Bezirksebene erweitern“, so Georg Kloster. Also ein Stück Kudamm am Neuköllner Provinzboulevard. Populäre Filme sollen die Einheimischen besonders wochentags ins lokale Kino locken. Ein hehrer Gedanke. Aber für den kurzweiligen Erlebnischarakter (schneller sehen - schneller essen schneller leben) sorgt bereits eine amerikanische Fast-Food -Kette. Inwieweit sich die alteingesessenen Erstaufführungskinos am Kudamm ein Stück vom Premierenkuchen abschneiden lassen, bleibt abzuwarten. Allerdings dürfte die geballte Kinomacht (zwölf Kinos) ein beträchtliches Faustpfand zur Durchsetzung von eigenen Marktinteressen sein.

Insgesamt sollen in dem Baukomplex, in dem auch die Neuköllner Oper residiert, vier Kinos eingerichtet werden. Zunächst allerdings werden nur zwei Kinoräume hergerichtet: der ursprüngliche Ballsaal wird derzeit grundlegend renoviert und erhält im Rang einen neuen Vorführraum, dort sollen auch behindertengerechte Kinoplätze eingerichtet werden (klingt gut!). 350 Plätze stehen dann im großen Haus zur Verfügung. 86 Sitze erhält das kleine Theater. Eigentlich sollte der Umbau bereits zur Berlinale fertig sein, doch die Handwerker machten einen dicken Strich durch die Zeitplanung. April/Mai soll's werden.

Ob die beiden anderen Kinos überhaupt gebaut werden, sei sehr unsicher. Das örtliche Bauamt, so Kloster, sieht grundlegende Bedenken. In einem der zur Disposition stehenden Räume ist ein Wolladen untergebracht. Aber Kloster/Steenwert haben vor Jahren gezeigt, als sie mit dem Broadway-Komplex Genehmigungsprobleme mit der Charlottenburger Baubehörde hatten, welch langen Atem sie besitzen.

Seit mehreren Monaten gibt es in SO36 hart an der Grenze ein neues (nichtgewerbliches) Kino: FSK. Inzwischen hat sich dessen Existenz bis zu freischaffenden taz-Autoren herumgesprochen. Die Kinoarbeit wird von ehemaligen Mitarbeitern des Regenbogenkinos („von Konkurrenz kann keine Rede sein“) geleistet. Das ganze steht in der Wiener Straße in der Nähe des Madonna. Viel Erfolg!

dziga mosch