Gleichbehandlung vertagt

■ Gericht fordert vom Land Berlin eine genaue Auflistung der Plätze für RollstuhlfahrerInnen in der Deutschlandhalle / „Auflagen an Veranstalter möglich“

Anteilmäßig 50 Plätze für RollstuhlfahrerInnen müßten eigentlich in der Deutschlandhalle zur Verfügung stehen, gab der Vorsitzende Richter Markworth der 7. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts zu. Etwa 0,5 Prozent der BerlinerInnen seien behindert, und die Deutschlandhalle habe 10.000 Plätze. Ohne genaueres Zahlenmaterial jedoch könne er kein Urteil fällen. Deswegen erging der Beschluß, dem Land Berlin die Auflage zu erteilen, gründlich zu prüfen, wann, wie, in welchem Umfang und mit welchen Kosten zusätzliche Plätze für Behinderte zu den vorhandenen zwölf in der Deutschlandhalle geschaffen werden können.

Für die Berliner RollstuhlfahrerInnen bedeutet diese Beschlußverkündung: Vorläufig bleibt alles beim alten, mit einem endgültigen Urteil ist nach Schätzung der Anwältin, Dr. Simone Stach, frühestens in zwei Monaten zu rechnen. Gegenstand der Nicht-Urteilsverkündung war eine Klage, die Bärbel Reichelt, Rollstuhlfahrerin und Vorsitzende des Behindertenvereins COCAS, gegen das Land Berlin und die AMK angestrebt hatte, weil sie trotz gültiger Eintrittskarte zu einer Festveranstaltung in der Deutschlandhalle „aus Sicherheitsgründen“ nicht eingelassen worden war (die taz berichtete).

„Ein solches Urteil hätte auch Auswirkungen auf Kinos und Theater gehabt“, sagte Anwältin Stach. Richter Markworth gab zu, daß ihm „erst in diesem Prozeß bewußt geworden“ sei, welchen „Schwierigkeiten“ RollstuhlfahrerInnen beim Besuch von Konzert- und Theaterveranstaltungen dieser Stadt ausgesetzt seien.

Es sei ein „untragbarer Zustand“, so der Richter, daß Behinderte, die im Besitz einer regulären Eintrittskarte seien, nie wissen könnten, ob sie eingelassen würden oder nicht. Prinzipiell sei nicht einzusehen, warum den Betreibern von Festveranstaltungen keine Auflagen bezüglich Behindertenplätzen gemacht werden könnten. Dies sei jedoch eher ein Problem, das politisch gelöst werden müsse. Juristisch könne das „Maximalbegehren“ der Klägerin, so kündigte der Richter ein mögliches Urteil bereits an, „mit großer Wahrscheinlichkeit“ nicht erfüllt werden. Bärbel Reichelt wollte erreichen, daß RollstuhlfahrerInnen normale Eintrittskarten kaufen können.

Das Verfahren gegen die AMK trennte das Gericht ab und verwies auf den zivilrechtlichen Weg, da die Art und Weise, wie zwar wenige, aber vorhandene Behindertenplätze von den Veranstaltern vergeben oder auch nicht vergeben werden, nicht vom Verwaltungsgericht geklärt werden könne.

Kommentar der Rechtsanwältin: „Das kann juristisch spannend werden, denn jetzt können wir dasselbe Thema auf zwei verschiedenen Wegen verhandeln.“

gebo