Khomeinis Schaufenster für den Westen

Zum zehnten Jahrestag der Revolution bemüht sich der Iran um ein neues Image / Trotz Parteienzulassung und Amnestie bleiben die Grenzen eng gesteckt / Der Machtkampf zwischen dem „westlichen“ und dem „radikalen“ Flügel ist noch nicht entschieden  ■  Von Robert Sylvester

Im Vorfeld der Feiern zum zehnten Jahrestag der iranischen Revolution hat das Khomeini-Regime einige sorgfältig ausgewählte politische Parteien und Gruppierungen zugelassen. Eine gleichzeitig verkündete Amnestie, in deren Genuß am 1.Februar knapp 500 Menschen kamen, kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, daß im vergangenen halben Jahr mit Tausenden von Hinrichtungen die blutigen Vorbedingungen für diese beiden Maßnahmen geschaffen wurden, mit denen das Regime in einem neuen internationalen Umfeld sein Gesicht wahren will.

Die Parteienlandschaft im Iran war seit 1983 völlig ausgedörrt. Die linken Organisationen waren längst in den Untergrund gegangen oder hatten das Land verlassen. Selbst die herrschende „Islamisch-Republikanische Partei“ wurde 1986 aufgelöst, nachdem es unter den „Männern Gottes“ zu heftigen Machtkämpfen gekommen war.

Das Parteiengesetz der Mullahs, 1982 ratifiziert, aber unter dem Vorwand des Kriegs und aus „Sicherheitsgründen“ suspendiert, wurde jetzt wieder aus der Schublade gezogen. Das Gesetz sieht vor, Parteien und Gruppierungen unter der Voraussetzung zuzulassen, daß sie an den Islam, die Islamische Republik und das Prinzip der velayate faghi (der religiösen Führung) glauben. Bislang haben 15 alte und elf neue Gruppen beim Innenministerium die Zulassung beantragt. „Eine marxistische Gruppe und eine mit westlichen Tendenzen haben sich beworben“, erklärte Innenminister Mohtashami; „Wir tolerieren keine östlichen oder westlichen Ideen, trotzdem ist das ein Zeichen für die Existenz von Demokratie im Iran“.

Zu den Anwärtern gehören unter anderem der Ingenieur Mehdi Bazargan, erster Ministerpräsident unter Khomeini, dessen Gruppe „Freiheitsbewegung Iran“ die Rolle einer passiven Opposition spielte, und drei neugegründete Ingenieursvereinigungen. Das Regime setzt darauf, daß es diesen Gruppen gelingen wird, Spezialisten und Wissenschaftler aus dem Ausland zurückzulocken, damit sie beim Wiederaufbau des Landes helfen. Entsprechende Pläne der Regierung sind allerdings bisher gescheitert, da die Experten im Exil jüngste Maßnahmen wie die Amnestie mit Mißtrauen beobachten. Um ihnen entgegenzukommen, hat das Regime die Zahl der Straßenpatrouillen reduziert und Hausdurchsuchungen eingestellt. Die Medien widmen sich neuerdings dem Thema der nationalen Einheit und seit etwa einem Monat dürfen Frauen auch Röcke anstelle langer Mäntel oder dem Tschador anziehen.

Gleichzeitig sorgt das Regime mit den üblichen Methoden dafür, daß die kleinen Erleichterungen nicht falsch verstanden werden. Khomeinis eigene Tochter, Zahra Mostafavi, rief eine Frauenorganisation ins Leben, um eine „Entislamisierung“ der Gesellschaft „zu verhindern“. Auch der jüngste Streit um eine Radiosendung über das islamische Frauenbild, der mit Stockhieben und Gefängnisstrafen für die Verantwortlichen endete, zeigt, daß das Regime keine Hoffnungen auf eine umfassende Liberalisierung aufkommen lassen will. Nach dem neuen Parteiengesetz sind bezeichnenderweise auch solche Gruppen zugelassen, die sich in der Vergangenheit ganz besonders rabiat um die Einhaltung der islamischen Moral gekümmert haben: Die Straßenpatrouillen nämlich, die nach Frauen jagten, die geschminkt oder in ihren Augen zu freizügig gekleidet waren. Die täglichen Meldungen über Hinrichtungen von Drogenhändlern und Frauen wegen „Ehebruchs“ weisen in die gleiche Richtung.

Was die politische Opposition betrifft, so erklärte Justizminister Abdol-Karim Musavi-Ardebili in aller Offenheit: „Wir können Abenteurern nicht trauen. Wir brauchen eine ruhige Atmosphäre, um das Land und die Kriegsruinen wieder aufzubauen“. Friedhofsruhe.

Um auch die kleinste Opposition gegen die Öffnung zum Westen auszuräumen, hat Khomeini auch vor seinem designierten Nachfolger Hussein Ali Montazeri nicht haltgemacht. Enge Mitarbeiter Montazeris wurden in den letzten Wochen festgenommen und nach Schnellverfahren hingerichtet. Montazeri und seine Mitstreiter hatten sich der Kriegspolitik und der Orientierung zum Westen widersetzt.

Nach dem überraschenden Einlenken zur Waffenruhe im Golfkrieg spielt Khomeini im politischen Leben eine geringere Rolle als früher, dafür wurde seine Position als religiöser Führer gestärkt. Die jüngste Botschaft an Michail Gorbatschow, sich dem Islam zuzuwenden, der besser sei als der Marxismus, wird als Indikator für die neue Rolle des 87jährigen gesehen, der auf diese Weise versucht, sein verlorengegangenes Prestige zurückzugewinnen.

Treibende Kraft hinter der neuen Politik im Iran ist offensichtlich Parlamentssprecher Haschemi-Rafsandschani, dessen Waffendeal mit den USA den Irangate-Skandal ausgelöst hatte. Es ist jedoch nicht leicht für einen iranischen Politiker, die Kontrolle an sich zu ziehen, da die Verfassung auf die Person Khomeinis zugeschnitten ist. Es wird bereits über eine Verfassungsänderung spekuliert, die den Präsidenten mit wesentlich mehr Kompetenzen ausstatten soll, ähnlich wie in den USA. Die Tatsache, daß Rafsandschani sich angeblich bei den Wahlen im Juni für dieses Amt bewerben will, wird als Sieg für die prowestliche Fraktion gegen den sogenannten radikalen Flügel ausgelegt. Sollte es Rafsandschani gelingen, seine ehrgeizigen Pläne durchzuziehen, dann wird es im Iran mehr Demokratie geben allerdings im Rahmen des Regimes und nicht für politische Parteien, die ihren Platz nur als Dekoration im Schaufenster der Islamischen Republik für den Westen finden werden.