Rechtsradikale verbieten oder nicht?

■ Der grüne Bundestagsabgeordnete Stratmann wendet sich gegen Forderungen, neofaschistische Organisationen zu verbieten / Plädoyer für politische Bekämpfung

Bonn (taz) - Für eine „intelligente gewaltfreie Widerstandsstrategie“ gegen Rechtsradikalismus und Neofaschismus hat der Bundestagsabgeordnete der Grünen Eckhard Stratmann plädiert. Notwendig sei, daß „der Begriff Neofaschismus nicht zum analytisch unscharfen Kampfbegriff verkommt und unterschiedslos für das gesamte rechte und rechtsradikale Spektrum mißbraucht wird“. Wer nicht differenzieren könne, werde auch kaum erfolgreich intervenieren.

„Wer - wie in einem Teil der Linken beliebt - pauschal nach Verboten 'neofaschistischer‘ Organisationen wie NPD, DVU und Republikanern und nach ihrer Nichtzulassung zu Wahlen ruft“ oder die „Zerschlagung neofaschistischer Organisationen und die Verhinderung ihrer Veranstaltungen fordert und - wie auf der bitter notwendigen spontanen Protestdemonstration am späten Wahlabend in Berlin - 'Ausländer bleiben - Nazis vertreiben‘ skandiert, der trägt damit mehr zur Stabilisierung polizei- und überwachungsstaatlicher sowie gewaltförmiger Denk- und Verhaltensschablonen bei als zu ihrer Überwindung“, vertritt Stratmann. Er nimmt damit Bezug auf eine Diskussion innerhalb der grünen Bundestagsfraktion, bei der der Berliner Abgeordnete Peter Sellin wenige Tage vor den Berliner Wahlen vergeblich eine Absetzung einer Debatte zur DVU-Postwurfsendung mit dem Hinweis verlangt hatte, dies werte lediglich die Rechten auf.

Stratmann betont, er habe die Demonstration gegen die Verhinderung der Gründung eines DVU-Landesverbands in Nordrhein-Westfalen „ausdrücklich“ begrüßt, „aber davor gewarnt“, eine erfolgreiche Blockade „zu überhöhen in eine Strategie zur physischen Verhinderung“ von Propaganda und Veranstaltungen neofaschistischer Gruppen. „Eine solche Strategie würde absehbar eine Gewaltspirale auslösen bzw. fortsetzen, nämlich die Gegenreaktion gezielt eingesetzter Skinhead-Banden und Saalschützer“ befürchtet Stratmann.

Antifaschistischer Widerstand müsse „mit politischen statt polizeilichen Mitteln arbeiten“. Antifaschistische Arbeit dürfe deshalb die für rechtsextremistische Parolen anfälligen Menschen „nicht von vornherein mit dem Neonazi -Verdikt unseren rechtsradikalen Gegnern überlassen“.

Gerd Nowakowski