Ranglistenturnier der grünen Linken

Die Linke der grünen Partei trifft sich am Wochenende in Bonn / Linke Politik in der Ökopartei / Der AL-Wahlerfolg in Berlin und die Schily-Niederlage bei der Wahl des Fraktionsvorstands beruhigten die Gemüter / Undogmatische gegen Fundamentalisten  ■  Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Am Wochenende, wenn es die Jecken und Narren an den Rhein zieht, kommt die Partei-Linke der Grünen zu einem bundesweiten Treffen nach Bonn. Genau zwei Monate nach dem Karlsruher Vorstandssturz werden mehrere hundert ÖkosozialistInnen, Feministinnen, RadikalökologInnen und Undogmatische diskutieren, wie es mit linker Politik in der Ökopartei weitergehen kann. Dabei werden sich, so ist zu erwarten, vor allem die undogmatischen Newcomer und die alten fundamentalistischen Hasen kräftig auf die grüne Pappnase hauen. Denn statt um den Dialog mit der nicht -grünen Linken, die in Bonn nur durch einzelne interessierte Individuen präsent sein wird, geht es an diesem Wochenende vorrangig um die Hegemonie im vielfältigen linker Lager der Partei.

Die vollmundige Erklärung jener Karlsruher Desaster-Nacht, nun müsse nicht nur das Wie, sondern auch das Ob linker Mitarbeit in Frage stehen, ist schnell vergessen worden, gerade bei jenen, die noch an den Wunden von Karlsruhe lecken. Für die Undogmatischen stand ein Austritt aus der Partei ohnehin nie zur Diskussion; sie gelten als die Nutznießer des Fundi-Sturzes. Einer ihrer Wortführer, Ludger Volmer: „Die Grünen sind für Linke kein kleineres Übel, sondern eine hervorragende Option, die nur besser genutzt werden muß.“

Im sogenannten Fundi-Lager haben sich die Positionen differenziert. Die Radikalökologin Jutta Ditfurth setzte nach Karlsruhe sehr schnell wieder auf den erneuten Kampf um Mehrheiten in der Partei. Statt die außergrüne Opposition zu fragen, was ihr an der aufopferungsvollen Tätigkeit linker Grüner eigentlich gelegen ist, appellierte sie an die „Verantwortung“ der Basisinitiativen, „auf die möglicherweise sehr schnellen dramatischen Vorgänge“ in der Partei Einfluß auszuüben. Doch die Dramatik blieb aus, und es ging auch nicht der von ihr erhoffte Ruck zugunsten der Linken durch die Partei. Der Wahlsieg der ehemals als fundamentalistisch verteufelten Berliner AL sowie Otto Schilys Niederlage bei der Wahl des Bonner Fraktionsvorstands haben zur Beruhigung der Gemüter an der Basis der Parteilinken in den letzten Wochen weiter beigetragen.

Diese Lage macht es für Thomas Ebermann, der seit Karlsruhe öffentlich mit einem Parteiaustritt liebäugelt, schwer, sich zu entscheiden: Gegenwärtig würden ihm vermutlich nur wenige folgen. Ebermann schätzt die Möglichkeiten für Linke in der Partei pessimistisch ein und fragt immer wieder, ob die Grünen nicht mittlerweile der Integration in dieses System dienten, nicht seiner Veränderung - doch scheut Ebermann selbst vor einer Beantwortung zurück, denn die würde Konsequenzen einfordern.

Die kritische Selbstreflexion von zehn Jahren grüner Erfahrungen, im Fundi-Lager ohnehin nur von wenigen gewollt, wird jetzt durch neuen Entscheidungsdruck vollends ins Abseits gedrängt: In vier Wochen wird in Duisburg der neue Parteivorstand gewählt. Sämtliche Konfliktlinien im heterogenen links-grünen Spektrum verknoten sich jetzt auf überaus komplizierte Weise an der Kandidatur des Ebermann -Vertrauten Rainer Trampert. Ein Teil von Tramperts eigenem ökosozialistischem Lager stilisiert seine Kandidatur zur Nagelprobe, ob der Kampf um Mehrheiten in der Partei noch lohnt. Christian Schmidt, ehemals Vorstandssprecher: „In Duisburg wird über die Handlungsfähigkeiten der Linken entschieden: Darf ein Mann wie Trampert noch für die Grünen sprechen?“ Trampert selbst paßt dies nicht: „An meiner Person macht sich jetzt fest, daß man die Rechtsentwicklung der Grünen nicht wahrhaben will“ - eine Entwicklung, die aus Tramperts Sicht mit dem Karlsruher Vorstandssturz nur nachträglich dokumentiert wurde. Für die undogmatischen Linken haben mit dem Hamburger „Hardliner“ ohnehin Probleme: Wenn für den einzigen Männerposten in der Sprecherriege des künftigen Vorstands der „Aufbruch„-Vertreter Ralf Fücks gegen Trampert antritt, dann sei das „die Wahl zwischen Pest und Cholera“, stöhnt der Berliner Harald Wolf. Träte Trampert, profiliert und bereits mit Vorstandserfahrungen, gar nicht erst an, wäre das für die Undogmatischen ein Schritt zur erwünschten Hegemonie im linken Lager. Der Hamburger Kandidat hat bislang noch nicht entschieden, ob er antreten will.

Der Gerechtigkeit halber sei noch angemerkt, daß die Links -grünen nicht dem Ruf der Jecken, sondern dem der Feministinnen in der Partei folgen: die hatten sich für dieses Wochenende nämlich ohnehin schon zum „Feministischen Ratschlag“ in Bonn verabredet. Trotz gewaltigem Frauenfrust sind aber auch hier keine kollektiven Austritte zu erwarten.